Trauerrede von Dr. Franz Pichhorner

Nachruf auf Univ.Prof. Dr. Elisabeth Kovács

Verehrte Trauerversammlung,

Als einer der ältesten Schüler und Mitarbeiter der Verstorbenen kommt mir heute die ehrenvolle und zugleich schmerzliche Aufgabe zu, Abschiedsworte zu sprechen:

Elisabeth Kovács wurde am 14. Oktober 1930 in Wien geboren, legte 1948 am Mädchenrealgymnasium in der Lange Gasse ihre Matura ab und inskribierte im Wintersemester 1948/49 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien Geschichte und Germanistik. Dort wandte sie sich besonders dem Studium der Österreichischen Geschichte zu und verfaßte unter der Anleitung des bedeutenden Historikers und Quellenforschers Alphons

Lhotsky ihre Dissertation über ein spätmittelalterliches Thema, nämlich über das Wirken von Ulrich von Albeck, Bischof von Seckau 1417-1431.  Bereits 1952 an der Wiener Universität zum Doktor der Philosophie promoviert, absolvierte sie die Prüfungen für das Lehramt an Österreichischen Mittelschulen aus Geschichte und Germanistik.

Nach einer kurzfristigen Tätigkeit als Sekretärin der Katholischen  Frauenbewegung der Erzdiözese Wien im Jahre 1956, ging sie in den Mittelschuldienst und unterrichtete am Privatrealgymnasium Maria Regina in Döbling, am Bundesrealgymnasium in der Albertgasse  und am Piraristengymnasium. Der Schuldienst befriedigte die Wissenschaftlerin nicht wirklich, daher ließ sie sich über den Antrag des Dekanats der Katholisch-Theologischen Fakultät mit Wirksamkeit vom 1. September 1970 an das Institut für Kirchengeschichte und Patrologie und in den Personalstand der Bundeslehrer an Hochschulen versetzen.

Als Assistentin des Ordinarius‘ für Kirchengeschichte Franz Loidl befasste sie sich seit Beginn der 1970er Jahre mit Wiener und Österreichischer Kirchengeschichte. Aus diesem

Forschungsbereich erwuchs auch ihre Habilitationsschrift Ultramontanismus und Staatskirchentum im theresianisch-josephinischen Staat, die 1975 erschien.

Im Oktober 1976 war das Habilitationsverfahren unter den Referenten Adam Wandruszka und Erich Zöllner positiv abgeschlossen. An der Geisteswissenschaftlichen Fakultät erhielt Elisabeth Kovács damals die Lehrbefugnis als Universitätsdozentin  für Neuere Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen von Staat und Kirche.

Daneben übte sie weiterhin ihre Tätigkeit am Kirchenhistorischen Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät am Schottenring 21 aus und alle, die bei ihr gearbeitet haben, werden sich an ihr Zimmer im 4. Stock erinnern.

Elisabeth Kovács widmete sich ab 1976 der Neueren Österreichischen Geschichte, d.h. 1273 bis zur Gegenwart, mit Problemen der Beziehungen von Staat und Kirche, wobei der Schwerpunkt ihrer Forschungen auf Themen des 17. bis 20. Jahrhunderts lag. In vergleichender Methodik suchte sie, ihre Themen zur Geschichte Österreichs im europäischen Bezugsfeld zu sehen.

Elisabeth Kovács war führend an wichtigen Ausstellungen beteiligt: Kaiser Joseph II., Stift Melk 1980, 1986, zusammen mit Rupert Feuchtmüller, im Stift St. Florian die oberösterreichische Landesausstellung „Welt des Barock“ und 1987 im Rahmen der Europalia zwei Ausstellungen zu Karl Alexander von Lothringen, dem Statthalter der Österreichischen Niederlande im 18. Jahrhundert, in Brüssel und Aldenbiesen. Aus dieser Tätigkeit ist ein großes Forschungsprojekt entstanden, an dem Friederike Stern und ich von 1987 bis 1991 wichtige Quellen zur Geschichte der Österreichischen Niederlande im 18. Jahrhundert edieren konnten.

Am 23.2.1990 hat der Bundespräsident Elisabeth Kovács den Berufstitel „Außerordentlicher Universitätsprofessor“  verliehen.

Elisabeth Kovács war Mitglied folgender wissenschaftlichen Vereinigungen:

Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften

Österreichische Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts

Subkommission “Österreich und Belgien” der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Sie war lange Zeit Mitglied der Wiener Katholischen Akademie und Vorstandsmitglied des Katholischen Akademikerverbandes  der Erzdiözese Wien.

Am 15. April 1985 wurde sie vom Präfekten der Sacra Congregatio Pro Causis Sanctorum  zum Mitglied der Gelehrtenkommission Causa des Dieners Gottes Karl aus dem Hause Österreich ernannt.

Diese Ernennung löste in der Folge eine fast zwanzigjährige Beschäftigung mit einem Thema aus, das in ihr wissenschaftliches „opus magnum“ mündete und 2004 im Kunsthistorischen Museum in Wien mit der Buchpräsentation des zweibändigen Werkes „Kaiser und König Karl und die Neuordnung Mitteleuropas“  sowie „Rettung oder Untergang der Donaumonarchie. Politische Dokumente zu Kaiser und König Karl aus internationalen Archiven“ seinen krönenden Abschluss fand. Die bis dato mangelnde Rezeption dieser großartigen Forschungsleistung und teilweise hämische Kritik, vor allem von deutscher Seite,  haben Elisabeth Kovács geschmerzt und zutiefst enttäuscht. Man hatte in der Historikerzunft offensichtlich ein Problem damit, dass erstmals eine Historikerin das Bild des letzten Kaisers wissenschaftlich von der Tradition der Antipropaganda, die es seit dem 1. Weltkrieg gab,  löste und ein aus neuen Quellen erarbeitetes Bild Kaiser Karls veröffentlichte.

In ihrer Erwiderung auf diese Kritik von deutscher Seite stellte Elisabeth Kovács die Fragen (Zitat):  „Was stört es, wenn erstmals aus den Dokumenten die Rolle der Freimaurer im Ersten Weltkrieg wissenschaftlich seriös vorgelegt sind? Ich, bin kein Logenmitglied und an keine Schweigepflicht gebunden!  Was ist daran ein Ärgernis, dass ich eine positive Beziehung zur Dynastie der Habsburger, die 750 Jahre in Österreich regiert hat, wie zur katholischen Kirche, deren Mitglied ich bin, habe, und dass ich die Friedensbemühungen Papst Benedikts XV und seine Beziehungen zu Kaiser Karl historisch korrekt aus den Quellen darstelle?

Elisabeth Kovács hat auf der Basis einer großen internationalen Quellenedition und einer Fülle von unbekanntem Archivmaterial völlig neue Ergebnisse zum Untergang des Habsburgerreiches vorgelegt und die Friedensbemühungen des Papstes und seine Beziehungen zu Kaiser Karl aus den Quellen (Korrespondenzen, Memoranden und geheimen diplomatischen Berichten) dargelegt.

Fast 40 Jahre davor hatte sie mit einem Aufsatz über Heimito von Doderer ihre wissenschaftliche Publikationstätigkeit aufgenommen.

Der Bogen ihrer wissenschaftlichen Publikationen spannt sich weit: vom Heiligen Römischen Reich, von spätmittelalterlichen, habsburgischen und burgundischen Themen über die Barockzeit und den Josephinismus und Themen der Aufklärung, der österreichisch-ungarischen Monarchie unter Kaiser Franz Joseph bis hin zum Sturz der Dynastie und der Landesverweisung der Kaiserfamilie 1918/19.

Elisabeth Kovács war eine Forscherin, der das Quellen- und Archivstudium stets die Grundlage ihrer wissenschaftlichen Arbeit war. Akribisch und mit unglaublicher Ausdauer hat sie Schicht für Schicht freigelegt und daraus ihre Erkenntnisse gezogen. Uns, ihren Schülerinnen und Schülern, war sie eine strenge und kritische und gleichzeitig so wohlwollende, fördernde und liebenswürdige akademische Lehrerin.

Wir nehmen heute Abschied von einer großen Historikerin und Lehrmeisterin. In Dankbarkeit und liebevollem Andenken verneigen wir uns an ihrer Bahre.

Möge Univ.Prof. Dr. Elisabeth Kovács, nach ihrem schweren, mehrjährigen Leidensweg, im himmlischen Frieden ruhen.