KAPITEL XXV – MADEIRA

Das Königspaar hatte vor seiner Deportation in der Kapelle von Tihány den kirchlichen Reisesegen gebetet:”[…]Bei unserem Aufbruch steh uns bei, o Herr. Auf allen Wegen sei Du unser Trost; im Sonnenbrand sei Du uns Schatten, in Regenschauern schützend Dach, in der Ermattung ein Gefährt; sei Du uns Schutz in der Gefahr; fester Stab auf schlüpfrigem Pfad; rettender Hafen im Schiffbruch. Führe uns glücklich an das Ziel unserer Fahrt und endlich wohlbehalten wieder heim[…]”
Es war der 31.Oktober um 07 Uhr abend, als das Auto mit dem Königspaar, dahinter ein schäbiges mit der Hofdame Agnes von Broviczény, mit der Kammerfrau und mit dem Kammerdiener der Majestäten in der Dunkelheit nach Aszufo zur Bahnstation fuhr. Dieselben Entente–Offiziere Guzzoni, Hinaux und Selby-, sie hatten den Kaiser vor einem halben Jahr von Ungarn in die Schweiz begleitet–waren für seine und seiner Gemahlin sichere Ausreise aus Ungarn wieder verantwortlich. In Anwesenheit von Sektionschef Kánya und Oberst Tihámer Simenfálvy übergaben sie die Gefangenen am 01. November um 07. 30 früh an Oberleutnant Johnson, der sie mit dem britischen Monitor “Glowworm” nach Konstantinopel zu bringen hatte. An Bord wartete im Auftrag von Papst Benedikt XV. Nuntius Schioppa, um ihnen den päpstlichen Segen zu erteilen. Das Gespräch dauerte eine drei viertel Stunde, der Nuntius berichtete nach Rom von der großartigen inneren Haltung des Königspaares. Der Kaiser habe nicht abgedankt, er sei keine “neue moralische Person” geworden. Der britische “Glowworm” war alles eher denn luxuriös, an seinen Innenwänden klebten Karikaturen Kaiser Franz Josephs. Unmittelbar vor dem Auslaufen erkundigte sich der französische Oberst noch nach eventuellen Wünschen des Königs. “[…]der Kaiser dankte und sagte, das einzige wäre, um was er ihn auch vorher gebeten hatte, die Sorge um unsere Getreuen. Nun fuhr das Schiff langsam weg, die drei Entente–Offiziere salutierten, der Kaiser ebenfalls.[…]” Agnes von Boroviczény und der Obersthofmeister der Kaiserin, Graf Alexander Esterházy, waren die Begleitung bis Galacz. Der Kommandant der Donauflotille, Kapitän Arthur Snagge, kam am Nachmittag des 01. Novembers mit einem Vedetten–Boot die Donau aufwärts. Er bestieg den “Glowworm” und ersuchte den Kaiser um sein Ehrenwort, keinen Fluchtversuch zu unternehmen. Für die Dauer der Reise verpflichtete sich Kaiser Karl dem Kapitän persönlich.
Donauabwärts ging es sehr langsam, der Wasserstand betrug stellenweise nur 75 cm. Bei Einbruch der Dunkelheit blieb der Monitor stehen. Es gab auf dem Schiff ein einziges warmes Zimmer, in dem die Majestäten, ihre Begleitung und der Kapitän saßen. Die Gespräche mit dem Kaiserpaar erzählte Snagge dann auf seiner Rückfahrt von Sulina dem britischen Bevollmächtigten in Bukarest, der alles weiter nach London meldete. Die Kaiserin, ohne eigene Kleider und Schuhe mit geliehenen schlecht sitzenden Sachen, schien irritiert. Der Kaiser betonte, er habe weder abgedankt noch die Absicht; dies zu tun, er werde seinen Krönungseid nicht brechen. Jeder Dethronisationsversuch widerspräche der Verfassung, auch sei die momentane ungarische Nationalversammlung kein Parlament. Er habe niemals der Schweiz gegenüber sein Wort gebrochen. Weitere Gespräche drehten sich um seine Friedensbemühungen, um die Donaukonföderation, die Konfikation seiner Privatgüter durch die ungarische Regierung und um das Scheitern seines zweiten Restaurationsversuches. Das Königspaar rechnete mit der Weitergabe dieser Konversationen, die Kaiserin hoffte, es möge ihr erlaubt werden, ihre Kinder aus er Schweiz zu holen. Die Reise ab Moldava, wo der “Glowworm” wegen stehen bleiben mußte, ging auf Wunsch des Königs von Rumänien, Kaiser Karl hatte ihn zu Beginn 1918 vor der Absetzung durch Wilhelm II. gerettet, komfortabel per Auto und Zug bis Galacz, von wo an das Ehepaar Graf Joseph Hunyady die Reisebegleitung übernahm. Sie fuhren von Galacz bis Sulina mit dem rumänischen Luxusdampfer Princessa Maria, ab Sulina war Kapitän Lyonel Maitland–Kirwan für die Gefangenen verantwortlich. Auch er erhielt persönlich das kaiserliche Ehrenwort, keinen Fluchtversuch zu unternehmen. Der britische Kreuzer “Cardiff” brauchte 12 Tage bis Madeira und es war unsicher, ob die Gefangenen tatsächlich dahin kommen sollten. Der Kapitän wußte auch von Ascension als möglichen Bestimmungsort.
In diesen Tagen unternahm Kardinalstaatssekretär Gasparri eine ” demarche discret” bei Henri Cambon, dem französischen Geschäftsträger beim Heiligen Stuhl. Gasparri sprach am 11. November während dieser Audienz über Kaiser Karl, über seinen mißglückten Restaurationsversuch, seinen angeblichen Wortbruch gegenüber der Schweiz und von der politischen Situation in Portugal, wo die Freimaurer bei der letzten Revolution in Lissabon neuerlich triumphiert hätten. Kaiser Karl sei–entgegen den ständigen Behauptungen von Beneš und der Botschafterkonferenz–absolut keine Gefahr für Europa. Gasparri schlug vor, das Kaiserpaar frei zu lassen und ihm in Frankreich oder England Asyl zu gewähren. Es blieb bei Madeira, wo es an Land gehen konnte. Der Bürgermeister von Funchal begrüßte das hohe Paar und behandelte es wie Gäste.
Die Botschafterkonferenz hatte bis dahin nicht entschieden, wer den Aufenthalt in Madeira zu finanzieren hatte. Vorläufig stiegen Kaiser und Kaiserin in der Villa Viktoria, der Depandance des Hotels Reid, auf eigene Kosten ab. Graf Joseph Hunyady und seine Gattin kehrten nach Ungarn zurück. Kardinalstaatssekretär Gasparri hatte am 25. November den Bischof von Funchal ersucht, seine Mission ohne politische Rücksichten zu erfüllen und dem exilierten Kaiserpaar jede nur erdenkliche pastorale Hilfe zu bieten. Der Bischof bestimmte Monsignore Antonio Homen de Gueiva zum vorläufigen Hofkaplan des Kaiserpaares, er erlaubte die Einrichtung eines Privatoratoriums in der Villa Viktoria, die Aufstellung eines Tabernakels und die dortige Feier der heiligen Messe, wenn die Majestäten nicht zum Gottesdienst in die Kathedrale kommen könnten. Wie sich zeigen sollte, war diese Hilfe fundamental. Während sich die Kaiserin an die Botschafterkonferenz wandte, um ihre Kinder aus der Schweiz nach Madeira bringen zu können, diese die Entscheidung über die finanzielle Bedeckung der Exilierten verschleppte und Vermögensaufstellungen des Kaisers wünschte, meldete sich der englische Konsul S. Kay in Madeira.: “[…]das erste Mal, um im Namen der Botschafterkonferenz , speziell aber Englands mitzuteilen, dass [Kaiser Karl], wenn er jetzt abdiziere, alle seine weggenommenen Güter rückerstattet und er ausserdem auch von England noch materiell versorgt werden würde. Wenn er nicht abdiziere, werde garantiert nie etwas zurückerstattet werden, würde von England keine Apanage zugelassen und auch eventuelle Zuwendungen und Geldsendungen von anderer Seite würden unterbunden werden. [Kaiser Karl] erwiderte dem Konsul, seine Krone wäre nicht käuflich. Das zweite Mal kam er, um im Namen der gleichen Auftraggeber, ihm die[…]Trennung von uns und weitere Verschleppung, falls auch nur der geringste Verdacht vorliege, er plane einen neuen Restaurationsversuch ( dieser Verdacht hätte natürlich zu jeder Zeit konstruiert werden können), als Drohung vorzuhalten. […]”so Kaiserin Zita: ”
Mitte Dezember erhielt sie die Erlaubnis, ihre Kinder aus der Schweiz zu holen. Monsignore Homen versuchte sein Bestes, den hohen Gast zu unterhalten und abzulenken. Er arrangierte mit den Besitzern des Hotels Reid einen dreitägigen Jagdausflug in die Berge, dessen persönliche Aufzeichnung alles sogenannt “historische” Geschwätz von der mangelnden Intelligenz des Kaisers, von seiner Regierungsunfähigkeit, Dummheit, liebenswürdigen Weichheit, Unentschlossenheit, Dekadenz etc. etc. widerlegt. Seine Schilderung von Land und Leuten, von Flora und Fauna in Madeira dokumentiert nicht nur sein fabelhaftes Gedächtnis, die Sprachbegabung, naturwissenschaftliches (geographisches und botanisches) Interesse , Empfinden und Mitgefühl für Menschen, sondern auch seine Fähigkeit zur großen Perspektive und weiträumiges Sehen. Am 31. Dezember 1921 kam Graf Almeida, ein Portugiese aus dem Kreis von Erzherzogin Marie Therese und dreißig Jahre Offizier in Österreich, zum Hofdienst. Gregoric, der Diener aus der frühen Offizierszeit, Oberchauffeur in der Schweiz und dessen Frau, die Köchin Albine Stöhr und das Küchenmädchen Maria Schmidt brachten die persönlichen Sachen des Kaisers aus der Schweiz.
Die Silvesterandacht war wie zu Hause und ein riesiges Feuerwerk um Mitternacht beschloß das alte Jahr. Am Neujahrstag machte der Bischof beim Kaiser seine Aufwartung, die dieser zwei Tage später zusammen mit Almeida und dem Monsignore erwiderte. Vom 30. Dezember bis 01. Februar 1922 führte der Kaiser ein Tagebuch, um seiner Gemahlin Zita während ihrer Abwesenheit in der Schweiz von seinem Leben zu berichten. Eh Robert mußte der Blinddarm entfernt werden. Kaiserin Zita wollte bei der Operation in Zürich sein. Sie reiste am 04. Jänner 1922 via Spanien und Paris in die Schweiz, wo sie vom ehemaligen Legationsrat in Wien, dem Gesandten Dr. Karl Egger, begleitet und beaufsichtigt wurde.
In dieser Zeit arbeitete der Kaiser an einem Memorandum für ein Interview des Grafen Almeida mit dem britischen Journalisten Lethbridge, in dem er sehr interessant und klar die durch die Friedensverträge herbeigeführte Problematik der Auflösung Österreich–Ungarns darlegte. Als zweites Papier aus dieser Zeit stammt der sogenannte “Verfassungsentwurf, streng geheim!,” die detaillierte Skizze einer künftigen Donaukonföderation. Dieses österreichische Commonwelth mit vier Nationalstaaten und vier Nationalarmeen, zwei Freistaaten, Wien und Triest, mit Extrastatut war als konstitutionelle Monarchie konzipiert, die von der Dynastie in der Primogenitur Erbfolge zusammengehalten würde. Der sogenannte Verfassungsentwurf führte das anfangs 1919 Papst Benedikt XV. mitgeteilte Konzept der Donaukonföderation aus. Innenpolitisch enthielt es die Lösung des Nationalitätenproblems. Außenpolitisch schwebte Kaiser Karl eine komplette Revision der politischen Veränderungen in Mitteleuropa vor: die Erneuerung des Heiligen Römischen Reiches unter habsburgischer Führung (was schon Lammasch zu Beginn von 1918 Wilson mitteilen ließ) , die Rückbildung der kleinen deutschen Königreiche und Herzogtümer, die Ausschaltung Preußens aus Deutschland und ein dauerndes Bündnis Österreichs mit Frankreich. Dieses politische Programm (vom Kaiser selbst als “hochfliegende Pläne” bezeichnet) gleicht den Entwürfen Otto Wagners zur imperialen architektonischen Gestaltung Wiens nach siegreichem Friedensschluß. Aus heutiger Sicht hatte diese Vision von damals keine Chance mehr auf Verwirklichung.
Noch vor der Abreise der Kaiserin stellte der portugiesische Bankier Luis Rocha Machado sein Sommerhaus auf dem Monte über Funchal kostenlos dem Kaiserpaar als Domizil zur Verfügung. Nun sollte es adaptiert und mit Hilfe der Familie Rocha Machado eingerichtet werden,. Der Kaiser trieb, um Geld zu sparen, den Plan voran, so gut es im portugiesischen Tempo und bei der dort üblichen Organisation ging. Monsignore Homen, dem der Kaiser bei der täglichen heiligen Messe in der Privatkapelle ministrierte, begleitete ihn bei Spazier–und Kontrollgängen auf den Monte, er organisierte auch einen Reitausflug, den der Kaiser ähnlich detailliert und interessant wie die Jagd vom 27.–29. Dezember beschrieb.
Inzwischen war in Zürich die Blinddarmoperation gut verlaufen, der kleine Erzherzog auf dem Weg der Genesung. Kaiserin Zita durfte nicht nach Wartegg fahren, man informierte sie auch von den Drohungen der Botschafterkonferenz (es waren hauptsächlich jene von Beneš) im Fall eines dritten Restaurationsversuches. Die Kaiserin verließ nur ein einziges Mal das Hospital, um sich gynäkologisch untersuchen zu lassen. Als sie ihr Rechtsanwalt, Dr. Seeholzer, besuchte, erfuhr sie, daß der Vermögensverwalter Bruno Steiner de Valmont, Kaiser Karl hatte ihm noch in der Schweiz das Adelsprädikat verliehen, mit sämtlichen Pretiosen und restlichen Finanzen verschwunden und unauffindbar war. Er hatte seine Ausreise aus der Schweiz, wie der gesamte Hofstaat wurde er des Landes verwiesen, noch für kurze Zeit aufschieben können und war dann nach Rom gefahren. Von dort verliert sich jede Spur.
Die portugiesische Regierung hatte abgelehnt, Gefängniswärter für den Kaiser zu sein, nun befürchteten die Briten, man würde ihn nach der Übersiedlung auf den Monte aus den Augen verlieren. Sie wünschten seine Bewachung durch einen eigenen Offizier, was man in Funchal ablehnte.
Ende Jänner, als in Madeira schon die Mimosen blühten, verstarb Papst Benedikt XV., von Kaiser Karl, der ihm niemals persönlich begegnet war, sehr betrauert.
Die Einsamkeit des Kaisers war ende Jänner 1922 vorbei. Es trafen die Gräfin Almeida , eine Woche später (02. Februar) Kaiserin Zita zusammen mit sechs Kindern, deren Aja, Gräfin Therese Schmiesing Kerssenbrok und Gräfin Viktoria Mensdorff, ein. Mitte Februar kamen die Lehrer der Kinder, der Tiroler Joseph Dietrich und der junge ungarische Hofkaplan Paul Zsamboki, anfangs März der genesene Eh Robert mit Ehin Marie Therese. Vom 18. Februar bis zum Ende des Monats übersiedelte die kaiserliche Familie samt Suiten und Personal in die Villa do Monte, was in dieser Jahreszeit noch sehr verfrüht war. Es regnete häufig, Nässe drang durch die Fenster, das Wasser lief von den Wänden, obwohl man mit brennenden Lampen die Feuchtigkeit zu bannen suchte. Das Haus erwies sich als zu klein, man lebte sehr beengt und ungenügend ausgestattet.(So mußte das Dienerpaar Gregoric in einem Verschlag, der als Abstellraum diente, auf dem Fußboden schlafen.) Auch hier war die Kapelle eingerichtet worden. Der Kaiser, sehr um den Frieden in seiner Umgebung bemüht, kompensierte alle Widrigkeiten, Demütigung und Verbannung, Ungerechtigkeit und Geldnot mit seiner beispielgebenden Frömmigkeit. Er unterwarf sich dem Willen Gottes (“nur nicht murren!”), blieb gleichmäßig ruhig und freundlich und erfüllte das Haus mit einer schönen Atmosphäre.
In den letzten zwei Wochen, als er noch gesund war, ging er mit den vier größeren Kindern viel spazieren, beschäftigte sie und lernte mit ihnen. In Madeira grassierte die Grippe. Schon war der kleine Eh Karl Ludwig (geb. 1918) angesteckt, am 9. März erkältete sich der Kaiser, ohne das sehr zu beachten. Am 14. März fehlte er beim Gottesdienst in der Kapelle , seit damals war er bettlägerig. Aus der Grippe mit hohem Fieber entwickelte sich eine schwere Lungenentzündung, die drei Ärzte aus Funchal, die sich dann auf dem Monte einmieteten, um dem Patienten auch nachts zur Verfügung zu stehen, vermochten die Krankheit nicht zu besiegen. Sie verabreichten Kampfer–und Terpentin Injektionen, die an den Beinen Abszesse hervorriefen, setzten Schröpfköpfe an und legten auf den von den Injektionsnadeln zerstochenen Rücken des Patienten Senfblätter, die seine Haut verbrannten; im übrigen gaben sie ihm Sauerstoff. Der Kaiser litt mit äußerster Geduld, die Kaiserin pflegte ihn Tag und Nacht, die Krankengeschichten und Berichte über seine beiden letzten Lebenswochen sind herzzerreißend.
Die letzten Korrespondenzen des Kaisers datieren aus Ende Februar und Anfang März. Sie betreffen Anweisungen für den Wiener Vermögensverwalter Albin Schager von Eckartsau, um der Botschafterkonferenz Unterlagen für die finanzielle Versorgung der Familie zu bieten, denn keiner der Nachfolgestaaten war bereit, für den Kaiser zu zahlen–der SHS–Staat wünschte sogar seine Internierung–und ein letzter Brief an König Alphons XIII. in der Sorge um den Schatz des Ordens vom Goldenen Vlies.
Am Abend des 27. März schlug Hochwürden Zsamboki vor, dem Kaiser die letzte Ölung zu geben. Es war gegen 3/4 9 Uhr abends, als er “[…]zum Schwerkranken hinein trat[…].”Der Kaiser wollte seine Lebensbeichte ablegen, heftiger Hustenreiz quälte ihn. “[…]Mit der größten Ruhe und Geistesgegenwart verrichtete er alles und drückte mir nach der Beichte herzlich die Hand; als wolle er mir danken: Auch versicherte er ausdrücklich, daß er allen verzeihe, die gegen ihn arbeiteten, und für sie beten und leiden wolle. Dann mußte ihm die Kaiserin die Gebete der hl. Ölung vorlesen, wie er sagte, […]” Schließlich ordnete er an:”[…]< Hol mir den Otto, er soll sehen, wie ein Kaiser als Katholik stirbt.> Der Kleine wurde geholt, er kniete sich neben das Bett hin, das war dem Kaiser zu weit. Er hat gesagt, der Otto soll hier herauf kommen, also zu meinem Kopfende kommen, daß er alles gut sieht. Der Kleine war natürlich erschüttert und hat sich geschüttelt vor Schmerz und vor Weinen. Da hat ihm seine Mutter gesagt, er soll sich festhalten, damit er dem Papa nicht noch mehr Sorge macht. Da hat er sich zusammengerissen.[…] ” “[…] Der Kranke empfing die heilige Ölung mit großer Andacht, reichte selbst die Hände zur Salbung dar und betete die Gebete des Priesters mit. Es war für ihn die Außenwelt wie verschwunden. Nach der hl. Ölung spendete ich ihm den Segen des Heiligen Vaters, dessen treuer Sohn er immer gewesen war.” So Zsamboki. ” “[…]Nachher hatte der Kaiser gesagt, er hätte das dem Kind gern erspart, aber es war für sein Bestes und er sollte wissen, wie ein Katholik und ein Kaiser stirbt.[…]”
Man hoffte am Morgen des 01. April, um Mitternacht war das Fieber des Patienten von 40 auf 37 Grad gefallen, die Krise sei überwunden. Doch der Zustand des Kaisers verschlechterte sich, das Fieber stieg wieder auf 40 Grad. Es fand die tägliche heilige Messe statt, das Allerheiligste wurde ausgesetzt, der Kaiser erhielt die heilige Kommunion, später nochmals als Viaticum. Sein Todeskampf in den Armen der Kaiserin, das qualvolle Ersticken, dauerte drei Stunden. Zu Mittag wurde der Kronprinz gerufen. “[…]Ich begann die Sterbegebete.[…]Im Augenblick des Todes, 01. April 1922 mittags 12 Uhr 23 Minuten brach die Sonne voll durch. Ich betete in der tiefen Stille des Sterbezimmers: und ein Vater unser, in das die anderen nach und nach einstimmten. […]”
Das Antlitz des toten Kaisers wurde im Sarg immer jünger, wie ein Lauffeuer verbreitete sich in Funchal die Nachricht vom Tod des ” heiligen Kaisers!” Am Abend des 01. April erfolgte die Einbalsamierung, dann die Exposition des Toten in Uniform. “[…]Beim Sarg haben wir Herren der Umgebung uns als Ehrenwache abgelöst. Es waren Ströme von Menschen, die am Sarge vorbeizogen. Die Menschen haben den Leichnam mit ihren Rosenkränzen, mit Bildchen berührt. Viele haben dem Leichnam geküßt. Auch dem Begräbnis des [Kaisers] wohnte viel Volk bei. “[…] Es dürften mehrere Tausend gewesen sein. Das Funerale hatte am 04. April 1922 in imperialer Form stattgefunden, in Anwesenheit des Bischofs von Funchal wurde der Leichnam dann in der Seitenkapelle der Kirche am Monte, Nostra Senhora, beigesetzt.
Am selben 04 April fand auch in Budapest das Requiem für den toten König in der Matthiaskirche, in seiner Krönungskirche, statt. Wir folgen dem detaillierten Bericht von Nuntius Schioppa: Die Trauerzeremonie war “[…]imposant, solenn und traurig wie nie. Alle haben das tragische Schicksal des unglücklichen Herrschers erfaßt […]” Carlisten und Anticarlisten standen um den inposanten Katafalk, “[…]auf dem die vier Königskronen lagen: die des Kaisers, des Königs von Ungarn, des Königs von Böhmen und jene des Hauses Habsburg. Dort waren auch zwei weiße Blumenkronen, eine des Gouverneurs Horthy und eine der Regierung.
Was für ein Bild, diese Menge! Auf dem Thron der Gouverneur, Vertreter eines Königs, der nach dem Gesetz nicht existiert! Rund um die Bahre Offiziere und Soldaten in ” Habt–acht–Stellung”, Offiziere und Soldaten desselben Heeres, das vor vier Monaten mit Kanonen auf seinen König geschossen hatte; eine dichte Gruppe von Legitimisten, unter ihnen Andrássy, Rakovszky, Gratz, gestern Arretierte mit der Beschuldigung des Hochverrates und morgen vielleicht zum Zuchthaus verurteilt, weil sie an dem (Restaurations)versuch des Königs teilgenommen hatten. Links Bethlen, Bánffy und die ganze Regierung, die im November das Dethronisationsgesetz der Habsburger approbieren ließ, und am Ende einer der dethronisierten Habsburger, Erzherzog Joseph, in großer Marschallsuniform, auf einer eigenen Tribüne, begleitet und von allen Ehren eines königlichen Prinzen umgeben![…]”
Der Primas, der Horthy noch am Tag der Dethronisation des Königs im geheimen legitimiert hatte, rühmte jetzt Standhaftigkeit und Gottvertrauen des frommen Königs, den Vorbildlichen, der alle Schicksalschläge gläubig ertragen hatte.”[.-..]Er hat kurz gelebt, aber viel Zeit erfüllt[…]Obwohl ihn die Bitterkeit des menschlichen Lebens erdrückte, starb er friedlich und ließ uns so zurück, daß wir wünschten, ihn zu haben und auch die Zeit kann diesen Wunsch nicht zum Erlöschen bringen. Vale pia anima Martyr Regni et Coronae Sancti Stephani, vive aeternum in pace Christi.[…]”
Am selben Tag hatte in Prag der ehemalige Generaladjutant des Kaisers, Prinz Zdenko Lobkowitz, bei St. Kajetan eine stille heilige Messe lesen lassen. “[…] sie war recht gut besucht. Das ist Alles, was für den verstorbenen König von Böhmen geschehen konnte !”
In der Wiener St.- Stephanskirche zelebrierte Kardinal Piffl am 06. April 1921 bei den Klängen von Mozarts Requiem den Trauergottesdienst als privaten Gottesdienst. Unter den Trauergästen waren Bundeskanzler Schober, vier Minister, der Nationalratspräsident Weiskirchner, christlichsoziale National–und Bundesräte. “[…] Aus der Mitte der Volksmenge, die dem Dom umlagerte, wurde nach Schluß des Gottesdienstes das < Gott erhalte >angestimmt, die alte, feierliche Weise, die seit Generationen der Ausdruck österreichischer Vaterlandsliebe und Treue gewesen war. Nun schlug sie noch einmal, eine Lohe der Begeisterung, aus dem Herzen der Kaiserstadt empor. Ich [Friedrich Funder] war Zeuge der Szene, die den Straßenverkehr des Stadtzentrums plötzlich zum Stehen brachte. Viele Menschen weinten. In den Gesang mischten sich Stimmen aus den Fenstern der hohen Häuser, es war ein Winken und Grüßen wie bei einem liebevollen Abschied. Noch einmal hatte das Gesicht Wiens sich entschleiert.
Im Nationalrat unterblieb eine Trauerkundgebung.”
Am 08. April hielten um 10 Uhr in der Wiener Deutschordenskirche die Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies den Trauergottesdienst für den verstorbenen Souverän.