KAPITEL XVII – DIE DONAUMONARCHIE, DIE USA UND DIE ENTENTE – LETZTE FRIEDENSVERSUCHE

(SOMMER 1917 – FRÜHLING 1918)

Friedrich Wilhelm Foerster hatte am 10. Juli 1917 Audienz bei Kaiser Karl in Reichenau. Der Pädagoge war auf Einladung von Heinrich Lammasch und Julius Meinl nach Österreich gekommen, um seine Ideen zum “Österreichischen Problem” Kaiser Karl, der die Umgestaltung Österreich–Ungarns in eine Donaukonföderation plante, vorzutragen. Der Kaiser äußerte sich bei dieser Audienz zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, zu Völkerbund und international geordneter Abrüstung. Er trat für ein neues europäisches Verantwortlichkeitsgefühl ein. “[…]unsere inneren Angelegenheiten zu ordnen–das wird uns europäisches Vertrauen schaffen und kann ein Beispiel für den Friedensbund der Völker werden”.
Foerster berichtet, daß Kaiser Karl im Park der Villa Wartholz mit rückhaltloser Offenheit gesprochen hätte:”[…][…] ”
Graf Czernin verbot die Publikation von Foersters Interview mit dem Kaiser von Österreich und schloß jede Diskussion über die Donaukonföderation aus, obwohl sie im österreichischen Reichsrat heftig geführt wurde. In der Spannung zu Kaiser Karl festigte der Außenminister seine Stellung in der Anlehnung an Deutschland, das den Fortbestand der dualistischen Staatsform Österreich–Ungarns forderte. Czernin war Gegner von Polzer–Hoditz, dem Chef der kaiserlichen Kabinettskanzlei, von Heinrich Lammasch, Josef Redlich und Julius Meinl, die die Rettung Österreich–Ungarns im raschen Umbau zur Donaukonföderation sahen. Vor der Publikation seiner “Weltpolitischen Betrachtungen zum Amnestieerlaß Kaiser Karls,” sprach Foerster in der Österreichischen Politischen Gesellschaft über “Österreich und der Friede”. Hatte er an diesem 17. Juli 1917 deutschnational orientierte Zuhörer des österreichischen Hochadels zum Widerspruch gereizt und aus der Versammlung getrieben, hatten doch die Pazifisten um Lammasch und Meinl an Terrain gewonnen.

FRIEDENSSONDIERUNGEN SOMMER UND HERBST 1917
Foerster reiste nach Zürich, wo er zu sondieren begann. Der französische Außenminister Pichon ließ ihm über den schwedischen Gesandten Graf Adlerswaerth (oder Adlerskreuz) mitteilen, würde Kaiser Karl seine Pläne realisieren können, wäre der Westen bereit, Serbien und Rumänien unter die habsburgische Herrschaft zu bringen. Bedingung dafür sei die Lösung der dortigen Nationalitäten–bzw. Minderheitenprobleme. Foerster besuchte auch den Amerikaner George Davis Herron. Der protestantische Theologieprofessor lebte während des Weltkrieges in Genf. Seine Villa (“Le Retour”, 26, Chemin des Cottages) war eine Drehscheibe pazifistischer Begegnungen. Foerster informierte Herron von den Plänen Kaiser Karls zur Umgestaltung Österreich–Ungarns. Die Donaukonföderation wäre als Vorläuferin der “Vereinigten Staaten von Europa” zu betrachten. Doch müßten die Alliierten dem Kaiser helfen, das Problem gegenüber seinen eigenen Verbündeten zu lösen. Wegen Herrons politischer Inkompetenz erreichten diese Informationen Robert Lansing erst anfangs Dezember. Verschiedene Friedenssondierungen mit den USA verliefen vom Sommer 1917 bis zum Frühling 1918, auch nach der amerikanischen Kriegserklärung an Österreich- Ungarn (7. Dezember /11. Dezember 1917).
Frank Anderson kontaktierte als außerordentlicher Agent des State Departements den ihm bekannten Grafen Albert Apponyi: Den ungarischen Unterrichtsminister begehende Anderson im Dezember 1917 in Budapest und Wien, worüber der Graf berichtete. Er hätte die Friedensbereitschaft Kaiser Karls und seiner Regierung signalisiert, deren Einverständnis zu Waffenbeschränkung und internationaler Abrüstung mitgeteilt. Ohne vorher Friedensbedingungen zu akzeptieren, wäre sie jederzeit zu einer Friedenskonferenz mit den Gegnern bereit und willens die Schwierigkeiten zu beseitigen. Apponyi dementierte die innere Krise der Doppelmonarchie. “[…] Die natürliche Entwicklung zur Demokratie ist in diesen Ländern gehemmt, weil man sie zu einem Teil des feindlichen Kriegszielprogrammes erklärt[…].”
Graf Michael Károlyi, Vertreter der ungarischen Unabhängigkeitspartei und Anführer in der ungarischen Revolution von 1918, verhielt sich weniger seriös als Apponyi. Er kam im November 1917 in die Schweiz, nicht–wie vorgegeben–zur, sondern nach der Konferenz der “Liga für einen dauerhaften Frieden.” Károlyi wollte nur der Entente seine Ideen zuspielen; er hielt sich in Genf und Bern auf, gab eine Pressekonferenz und traf französische Freunde. Schillernd und angepaßt kontaktierte er Repräsentanten Deutschlands und der Entente und suchte ihnen die Ideen einer ungarisch dominierten Donaukonföderation nahezubringen. Dabei erzählte er von der antideutschen Stimmung in Österreich–Ungarn und von der Drohung der DOHL, bei fortdauernd tschechischer Agitation Böhmen zu besetzen. Károlyi behauptete, in Ungarn den deutschen Einfluß hemmen zu können. Im Kontakt mit dem Geschäftsträger der USA, Hugh Wilson, machte er Vorschläge zur Lösung die Probleme Elsaß–Lothringens, Polens und der italienischen Territorien. Er ersuchte um finanzielle Hilfe, damit sich Österreich–Ungarn bei einer allgemeinen Friedenskonferenz von Deutschland trennen und wirtschaftlich von ihm unabhängig werden könne.
Julius Meinl, Österreichs größter Tee- und Kaffeeimporteur, hatte aus dem väterlichen Betrieb eine Firma mit vielen Filialen geschaffen, hielt in London ein eigenes Importbüro und sprach ausgezeichnet englisch. Meinl belieferte die k.u.k. Armee, versorgte das Kriegsgebiet und hatte in seinem Schloß Radkersburg (Steiermark) ein musterhaftes Lazarett eingerichtet. Im k.u.k. Kriegsministerium und in der österreichischen Politik von bedeutendem Einfluß, war er als Handels–oder Ernährungsminister im Gespräch. In Verbindung mit dem ehemaligen holländischen Justizminister Dr. De Jong van Beeck en Donk, dem damaligen Leiter der schweizerisch–holländischen Friedensbüros in Den Haag und Bern, hatte er am Kongreß über den Völkerbund teilgenommen. Mitte Dezember 1917 reiste Meinl von der Schweiz nach Berlin und versuchte, im deutschen Auswärtigen Amt und bei Abgeordneten des Reichstags klug angelegte Friedensvorschläge zu sondieren. Nicht ohne Erfolg kam er zusammen mit dem Reichstagsabgeordneten Konrad Haussmann zurück nach Genf, wo er mit befreundeten Engländern und De Jong Gespräche aufnahm. Die Engländer vermittelten dann den Kontakt zu Hugh Wilson, der bereits für diese Mission vom US–Präsidenten autorisiert war. Hugh Wilson wünschte ein Schreiben des Grafen Czernin und die Bestätigung Deutschlands, die von Meinl ausgehandelte Erklärung bezüglich Belgiens zu akzeptieren. Die USA würden dann ihren gesamten Einfluß aufwenden,“[…]um auch die Ententestaaten für die Unterhandlungen zu gewinnen. […].“ Meinl kam am 24. Dezember 1917 in Wien an , er versuchte sofort, Czernin zu sprechen . Der Minister war in Brest Litowsk und erst nach dem 1. Jänner zu treffen. Derartige Sondierungen betrachtete er als zwecklos. Am Tag nach der Begegnung mit Czernin erhielt es Meinl schriftlich, “[…] daß es sich aus taktisch–politischen Erwägungen nicht empfiehlt, im gegebenen Momente und wohl auch für die nächste Zukunft, die von Ihnen aufgenommenen Fäden fortzuspinnen.” Er bekam bis auf weiteres keinen Paß. Die deutschen Militärs bereiteten die Frühjahrsoffensive im Westen vor und sie blockierten alle Verhandlungen mit der Entente und mit den USA.
Seit dem Zusammenbruch der russischen Fronten erwartete die Entente militärische Hilfe von den USA. Lloyd George wandte sich am 20. September 1917 an Amerika, um die Alliierten enger aneinander zu binden. Doch Wilson war dazu noch nicht bereit. Zu Beginn der 12. Isonzoschlacht wurde sich Robert Lansing klar:, daß der Weg zum Frieden nur über die Niederwerfung Deutschlands führe.
Als sich die Katastrophe von Karfreit (Caporetto) abzeichnete, dachte der britische Außenminister Lord Balfour an Separatfrieden mit Österreich–Ungarn, Bulgarien und der Türkei. Italiens Außenminister Sonnino, nach Lloyd George ganz ohne “Verständnis für die besonderen Fragen der Kriegführung”, wollte davon nichts wissen. In Rapallo berieten vom 4.bis 7. November 1917 die Vertreter der Alliierten über die Konsequenzen der schon verlorenen Schlacht, über Kriegführung und Truppenkoordination an den Fronten. Dabei setzte Lloyd George die Bildung eines “Obersten Interalliierten Kriegsrates” durch, der militärische Maßnahmen überwachen, den einzelnen Regierungen Empfehlungen für die Kriegführung geben und den Zustand aller Truppen und die Mittel, über die alliierte und feindliche Armeen verfügten, kontrollieren sollte. Mit Sitz in Versailles hatte er monatlich einmal zusammenzutreten. Robert Lansing delegierte dahin Oberst Edward M. House, den Vertrauten des Präsidenten. Nach Abschluß der Rapallokonferenz begegnete Lloyd George den italienischen König in Peschiera. Inzwischen hatte sich Sonnino an die USA gewandt und um deren Kriegserklärung an die Verbündeten Deutschlands, an Österreich–Ungarn, die Türkei und Bulgarien, ersucht. Die Italiener waren vom Ausbruch der Russischen Revolution und deren Wirkungen im eigenen Land sehr beunruhigt, Sie wurden von Theodor Roosevelt, der in diversen Schriften und Versammlungen für die amerikanische Kriegserklärung an Österreich-Ungarn warb [„ > to make the world safe for democracy>“Hervorh. d. d. Vfin] unterstützt. Der Großmeister des belgischen Großorients, Graf Eugène Felician Goblet d‘Aviella hatte Theodor Roosevelt schon 1915 gebeten, für den Kriegseintritt der USA zu arbeiten. Die innere Situation Italiens stimulierte den amerikanischen Kriegsschritt. Die militärische Niederlage, die vielen Gefallenen und Gefangenen, die Antikriegsstimmung in Heer und Presse, Streiks, sozialistische und vatikanische Friedenspropaganda, schließlich der Sturz der Regierung Bosellis, den Außenminister Sonnino überlebte, ließen den Zerfall des italienischen Nationalstaates befürchten. Man sah die alten monarchistischen Territorien (Neapel, Toskana, Modena, Parma) wiedererstehen, die Signorie von Venedig und den Kirchenstaat wiederhergestellt. Die Situation des Papstes war schwierig. Die innere Bewegung des Landes wurde von den “Freimaurern propagandistisch auf den Vatikan abgelenkt” und Benedikt XV. beschuldigt, mit seinem Friedensappell bei den Italienern den Geist des “Durchhaltens” geschwächt zu haben. Dessen ungeachtet bemühte sich der Papst, zwischen Österreich–Ungarn und Italien einen passablen Frieden zu vermitteln und Kaiser Karl zu territorialen Kompensationen zu motivieren. Der französische Botschafter Barrère berichtete nach Paris über eine Unterredung des Apostolischen Nuntius [Valfré di Bonzo] mit Kaiser Karl über territoriale Kompensationen an Italien. Kaiser Karl habe sich ganz intransigent gezeigt, er wolle keine Konzessionen machen, als den status quo ante. Der Nuntius”[…]fügte hinzu, man habe unrecht, würde man den Kaiser als haltlose Persönlichkeit hinstellen. Im Gegenteil, der Souverän habe einen sehr persönlichen Willen und zeige in seiner Rolle als Staatschef wirkliche Aktivität[…]”.
Noch während der 12. Isonzoschlacht ließ Czernins Italien wissen, die Österreich würde die Integrität des Italienischen Territoriums, unabhängig von den Ereignissen an der Front, garantieren. Horace Rumbold, der britische Botschafter in der Schweiz, sollte vermitteln. Vielleicht hatten diese wie andere Zeichen der Friedensbereitschaft Lloyd George motiviert, die österreichisch–ungarischen Friedensbedingungen anzuhören, ließ sich im Hinblick auf das offizielle russische Friedensangebot an die Zentralmächte dazu vom “Interalliierten Obersten Kriegsrat ” bevollmächtigen. Italien opponierte, schließlich fügte sich Sonnino. Lloyd Georges wählte zum Emissär für diese Gespräche den Burengeneral Jan Christiaan Smuts, seinen engsten Vertrauten, Czernin den ehemaligen k.u.k. Botschafter in London, Graf Albert Mensdorff–Pouilly, der sogar mit König Georg V. verwandt war. Die beiden Bevollmächtigten begegneten einander am 18.und 19. Dezember in Genf. Um sie vor Agenten und Spionen bedeckt zu halten, wohnten sie in einander benachbarten Villen außerhalb der Stadt.

DIE AMERIKANISCHE KRIEGSERKLÄRUNG AN ÖSTERREICH –UNGARN
Italien forderte von den USA, Österreich–Ungarn den Krieg zu erklären und Staatssekretär Lansing ließ Rom über Präsident Wilson vorläufig eine positive („platonische“) Nachricht senden. Nachdem die Kriegsziele der Alliierten divergierten, wünschte Wilson eine Kriegskonferenz. Oberst House war bereits in Europa. Es dauerte noch zwei Wochen, bis sich der Präsident entschloß, den mit Deutschland verbündeten Mächten tatsächlich den Krieg zu erklären. Im letzten Moment verzichtete er auf die Kriegserklärung an Bulgarien und die Türkei. Er nahm auf dort bestehenden amerikanischen Schulen und Missionsstationen Rücksicht und erklärte nur Österreich–Ungarn den Krieg, was dann König Viktor Emanuel III. von Italien als den “Triumph des Rechtes ” bezeichnete. Wilson hatte zur Kriegserklärung an Österreich–Ungarn keinen Grund, nichts rechtfertigte diesen Schritt. Das Nationalitätenproblem der Donaumonarchie, dessen Lösung Exiltschechen und Exilsüdslawen von den USA forderten, war ein internes, kein außenpolitisches Problem. Vor dem Kongreß nannte Wilson die Abhängigkeit Österreich–Ungarns vom preußischen Militarismus als Kriegsgrund. Österreich–Ungarn, nicht mehr Herr im eigenen Haus, wäre nur noch der Vasall Deutschlands. Die Tendenz der Freimaurer vom Sommer 1917, die feindlichen Völker von ihren Regierungen zu trennen–und damit expressis verbis Revolution anzusagen–findet sich in der Rede Wilsons vom 4. Dezember 1917. Der Präsident unterschrieb sie am 7. Dezember, am 11. wurde die Kriegserklärung an Österreich–Ungarn den diplomatischen Vertretern mitgeteilt. Italiener, Exilsüdslawen und Exiltschechen hatten in Lansing und Theodor Roosevelt ihre Patrone gefunden. Roosevelt, bemerkte arrogant und jetzt ohne Sympathie für das Habsburgerreich, Österreich–Ungarn und die Türkei seien keine Nationen. Ihre multinationalen Völker, würden von einzelnen „Kasten“ tyrannisiert. Wolle Amerika die Welt für die Demokratie reif machen, seien diese Staaten aufzulösen. Gleichzeitig anerkannte die Französische Regierung den tschechischen Nationalrat in Paris als legale Regierung der künftigen Tschechoslowakei. Noch mobilisierten die USA nicht gegen Österreich–Ungarn. Sie kommandierten nur eine Sanitätstruppe mit Feldlazaretten nach Italien ab.
Später stellte Beneš fest, die Entente hätten sich den Entschluß zur Zerschlagung der Donaumonarchie nicht leicht gemacht. Lloyd George und Wilson legten sogar eine Pause des Nachdenkens und der Distanzierung von ihren eigenen Beschlüssen ein.
Graf Czernin antwortete Wilson am 6. Dezember 1917 vor dem Ausschuß der ungarischen Delegation in Budapest. Die Donaumonarchie befände sich keinesfalls im deutschen Schlepptau, sie kämpfe nicht für deutsche Annexionspläne. Der Krieg beider Mächte sei ein gemeinsamer Verteidigungskrieg. Österreich–Ungarn kämpfe für Elsaß–Lothringen genau so wie Deutschland für Lemberg und Triest gekämpft habe. Er “[…]kenne da keinen Unterschied zwischen Straßburg und Triest.”

DIE GERSPRÄCHE VON SMUTS UND MENSDORFF IN GENF
Parallel zur Kriegserklärung der USA an Österreich–Ungarn liefen die Vorbereitungen für die Friedenssondierung mit Großbritannien. In den Instruktionen der beiden Emissäre sind die politischen Absichten und Motive der beiden Mächte klar zu erkennen. Obwohl Lloyd George diese Begegnung offiziell nur als Informationsaustausch bezeichnete, standen seine eigenen politische Konzepte und der große Wille, den Allgemeinen Frieden zu befördern, dahinter. Die bolschewistischen Revolution, das Ausscheiden Rußlands aus dem Krieg und die Bemühungen Frankreichs und Italiens, die Lösung europäischer Probleme den USA zu übertragen, ihren Einfluß in Europa zu installieren, hatte die britische Politik des europäischen Gleichgewichtes irritiert. Für Lloyd George fragte sich, wie man Europa vor den Einflüssen des Bolschewismus bewahren und vor den USA abschirmen könnte. Anstelle Rußlands sollte Österreich–Ungarn das Gleichgewicht der Macht gegen Deutschland halten. Es sollte mit Hilfe der Entente vor der deutschen Dominanz gerettet, unabhängig und stark werden. Ein größeres Habsburgerreich wäre keine militärische Gefahr für die Welt. Als Barriere gegen Deutschland würde es dessen Verbindung in den Osten durchbrechen. “[…]Österreich muß es realisieren und schätzen, daß wir ihm nach seiner Trennung von Deutschland gut gesinnt bleiben und es gegen seinen ehemaligen Bundesgenossen unterstützen wollen. […] Wenn wir Österreich auf diese Weise helfen, helfen wir uns auch selbst, jetzt und in Zukunft.[…]” Das britische Interesse an der Existenz der Habsburgermonarchie als Bollwerk Europas bestehen zu lassen, entsprang weniger historischen Vorstellungen als imperialistischen Überlegungen. Smuts hatte neben seiner Instruktion auch einen umrissenen Separatfriedensvorschlag mit Österreich–Ungarn und Konditionen für einen “Allgemeinen Frieden” erhalten.
Die Linie der österreichischen Diplomatie war spätestens seit Károlyis Besuch in der Schweiz festgelegt, auf keinen Separatfrieden einzugehen. Sie wollte mit mehr oder weniger Druck auf den Bundesgenossen zuerst den “Allgemeinen Frieden” vermitteln und sich während der Friedenskonferenz von Deutschland trennen. In diesem Kontext betonten die Instruktionen Mensdorffs als Grundvoraussetzungen für einen Frieden die Integrität der österreichisch–ungarischen Monarchie, keine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten und keinen Wirtschaftskrieg zu führen. Über einen Separatfrieden zu sprechen sei Zeitverschwendung, eine Trennung von Deutschland ausgeschlossen: “[…]Wir sind nicht niederzuringen und nicht auszuhungern.[…]” Mensdorff hatte kein offizielles Mandat. Er durfte nur in eigenem Namen sprechen, und Czernin legte auf die Feststellung Wert, Österreich–Ungarn gewähre den Völkern das Selbstbestimmungsrecht ohne daß staatliche Souveränitätsrechte verletzt würden.
Die Gespräche von Mensdorff und Smuts fanden am 18. Dezember nachmittags und abends statt, auf Wunsch Mensdorffs wurde am Nachmittag des 19. Dezembers ein Schlußkommunique zur Klärung offener Themen erstellt. Die Gespräche bewegten sich auf hohem diplomatischem Niveau, unverbindlich und akademisch, und brachten das britische Weltmachtstreben zum Ausdruck. Das mit Hilfe Großbritanniens wiederhergestellte, vergrößerte Österreich–Ungarn, sollte seinen Nationalitäten Autonomie gewähren und Deutschland in Schach halten. Lloyd George wollte auch das Osmanische Reich in einen lockeren Zentralverband autonomer Staaten umgestalten. Sein Privatsekretär, Phililpp Kerr, sondierte damals in Genf vergeblich einen Sonderfrieden.
Das neue Österreich, ein entwicklungsfähiger Staatenbund, in welchem das deutsche Element naturgemäß nicht prädominierend sein könnte, sollte “[…]das Aufkommen einer militärischen Diktatur, die nur neues Elend für die Welt bedeuten würde, […] verhindern, […]sich mehr und mehr an das britische Reich anlehnen und dem deutschen Militarismus den Rücken kehren[…]”. General Smuts betonte: England wolle und könne nur mit Österreich –Ungarn und nicht mit Deutschland verhandeln . Die Habsburgermonarchie sollte nicht zerstückelt werden. Damit war das tschechische Kriegsziel aus der Diskussion genommen, was Beneš sehr bestürzte. Im zweiten Gespräch gingen Smuts und Mensdorff auf Details und Territorialfragen ein, die das Protokoll vom 19. Dezember fixierte.
Mensdorff betrachtete die Genfer Unterhandlungen reserviert und ergebnislos, Smuts als interessant, fruchtbar und fortsetzungswürdig. Mensdorff ersuchte Großbritannien, seine Kriegs–und Friedensziele bekanntzugeben, um zu einem Allgemeinen Frieden mit Deutschland zu kommen, er regte die Begegnung Czernins mit einem englischen Staatsmann an. Von Czernin wünschte er, seinen Bericht dem Kaiser vorzulegen.
Nach Steglich war die Genfer Begegnung, eine einzigartige Gelegenheit, einen Verständigungsfrieden vorzubereiten. Englische Divergenzen und das Mißtrauen des Grafen Czernin verhinderten ihn. Es wurde in London zwar ein Telegramm an Präsident Wilson über die Ergebnisse der Gespräche von Mensdorff und Smuts entworfen, wegen des Einspruchs von Lord Cecil aber nicht abgeschickt. Im übrigen war Lord Cecil Freund und Sympathisant der Tschechen.

PACELLIS ZWEITE FRIEDENSMISSION
Vor Weihnachten 1917 entrierte Kaiser Karl vertrauliche außenpolitische Schritte, was sein wachsendes Mißtrauen in den Außenminister indizierte. Der Kaiser verfügte über eigene Informanten und über die Vertrauensleute des Papstes, wie den bayerischen Kapuzinerpater Cölestin Schwaighofer oder den Apostolischen Nuntius von Bayern, Eugenio Pacelli. Das kaiserliche Friedenskonzept folgte der 1915 eingeschlagenen Linie, den Weltfrieden mit Hilfe des Papstes herbeizuführen. Wie im Frühling ließ auch um Weihnachten 1917 Kaiser Karl getrennt verhandeln, einerseits mit England, Frankreich und den USA, andererseits mit Italien, wozu er die Vermittlung des Papstes in Anspruch nahm. Die USA hatten zwar die italienische Forderung nach der Kriegserklärung an Österreich–Ungarn erfüllt , sich aber nicht an den Londoner Vertrag von 1915 gebunden.
Wien ließ Italien Zeit, seine Niederlage zu verarbeiten. Nun ersuchte Kaiser Karl Papst Benedikt XV., Eugenio Pacelli für Friedensverhandlungen mit Italien einsetzen zu dürfen. Deutschland, Bulgarien und Österreich–Ungarn sollten dem Papst ihre Kriegsziele,. bzw. ihre Friedensbedingungen bekanntgeben. Am 5. Jänner 1918 war P. Cölestin Schwaighofer im Auftrag Kaiser Karls wegen der deutschen Kriegsziele in Berlin und kannte bereits Bulgariens Kriegsziele bzw. Friedensbedingungen. Der Kapuzinerpater teilte dem Reichskanzler Graf Hertling, einige Passagen aus dem Brief Kaiser Karls an Benedikt XV. mit und ließ durchblicken, daß sich König Ferdinand bei deutscher Ablehnung der Initiative Kaiser Karls anschließen könnte. Pacelli, würde trotz heftiger Attacken von der italienischen Presse diese Mission übernehmen. Hertling, erklärte, Deutschlands Kriegsziele wären noch nicht klar, er versprach nach Rückfrage bei Kaiser Wilhelm Bescheid zu geben und beschrieb, wie heftig die Alldeutschen gegen jede Friedensinitiative remonstrierten. Wir konnten die Antwort Hertlings an P. Cölestin nicht finden, nach dem Telegramm Kaiser Karls an Czernin dürfte sie positiv gewesen sein.
Pacelli konnte bei den damaligen Verhältnissen erst im April 1918 nach Rom fahren, um Benedikt XV. die österreichischen Kriegsziele und Friedensvorschläge persönlich zu übergeben. Die Bedingungen Kaiser Karls waren äußerst moderat und akzeptabel. Der Kaiser betrachtete die von Italien okkupierten Gebiete nur als Faustpfand, um dem Heiligen Vater die ihm gebührende Mittlerstellung bei den Verhandlungen zu sichern und der Lösung der Römischen Frage zu dienen: “Die Zurückerstattung des occupierten Gebietes hängt also von dem Maße des italienischen Entgegenkommens ab.” Auch diese zweite Mission Pacellis blieb wegen der verspäteten Reise des Nuntius ohne Erfolg, die Pläne der DOHL, die Kriegsentscheidung bei den Frühjahrsoffeniven militärisch herbeizuführen, dominierten.

WILSONS 14 PUNKTE UND DIE GESPRÄCHE VON LAMMASCH–HERRON
(JÄNNER UND FERBRUAR 1918)
Präsident Wilson vermutete in der weihnachtlichen Verhandlungspause von Brest Litowsk das Scheitern der Gespräche und die Fortsetzung des russischen Krieges. Deshalb präsentierte er am 8. Jänner 1918 dem Kongreß eine europäische Friedensordnung, die weder Deutschland seiner Großmachtstellung berauben, noch die Aufteilung Österreich–Ungarns proklamierten sollte. Wilson unterstützte die Bolschewiken, kritisierte die Haltung der Mittelmächte und verdächtigte sie der Doppelstrategie. Die Staatsmänner würden zwar liberale Grundsätze akzeptieren , die Militärs jedoch nur konkrete Friedensbedingungen vorlegen. Im Anschluß an die Rede Lloyd Georges vom 5. Jänner 1918 versicherte Wilson, die Auflösung Donaumonarchie sei kein Kriegsziel der Entente, denn Österreich–Ungarn könne im Hinblick auf Italien und Rumänien den Frieden garantieren. Es sollte sich nicht vom preußischen Militarismus mißbrauchen lassen, die USA würden mit ihrem Kriegseintritt nur Rechtsverletzungen ahnden. Die 14 Punkte Wilsons skizzierten die Grundsätze einer neuen Weltordnung auf der Basis des Nationalismus. Nach Fritz Fischer konnte Deutschland darauf nur negativ reagieren. Es hätte auf alle Kriegsziele verzichten und territoriale Einbußen in Ost und West hinnehmen müssen, um seine europäische Großmachtstellung zu erhalten.
Graf Czernin antwortete dem amerikanischen Präsidenten am 24. Jänner 1918 vor der Österreichischen Delegation freundlich und sehr positiv. Obwohl in der Form ganz anders als Hertling machte Czernins Rede den Eindruck, als hätte er sie mit dem Reichskanzler abgesprochen.
Ende Jänner 1918 sandte Kaiser Karl dann den Völkerrechtsprofessor Heinrich Lammasch ohne Wissen Czernins in die Schweiz, um mit Amerika geheime Friedenskontakte aufzunehmen. Lammasch war eine internationale Kapazität seines Faches und Lansing wohl bekannt. Die Fühlungnahme war sehr genau vorbereitet, Lammasch sollte Wilson die politischen Ideen Kaiser Karls bekanntgeben. Das Papier über die Umgestaltung der Österreichisch–ungarischen Monarchie hatte Lammasch gemeinsam mit Kaiser Karl entworfen. Ein ähnliches Dokument aus 1921/22 fand sich im kaiserlichen Nachlaß. Offiziell nahm Lammasch am “Kongreß der Internationalen Katholischen Aktion” in Zürich teil, wo Dr. De Jong den Kontakt zu den Amerikanern herstellte. Die Gespräche fanden dann im Schloß “Hofgut” bei Gümmenen in der Nähe von Bern statt, das dem engagierten Pazifisten und ehemaligen Krupp –Direktor, Wilhelm von Muehlon, gehörte. Die Begegnung war schwer geheimzuhalten, denn Herron wurde fortwährend von deutschen Agenten und Spionen beobachtet.
Am Vormittag des 3. Februars konferiertenen Lammasch und Herron zuerst über die Rede Czernins vom 24. Jänner 1918. die Regierung der USA wußte nicht, ob sie ernst zu nehmen oder als abgekartetes Spiel zwischen Berlin und Wien zu betrachten war. Die Unterhandlungen begannen, sobald Lammasch den Friedenswillen des Kaisers betont und auch Czernin die Friedensabsicht zugestanden hatte. Zuerst sprach man über allgemeine Fragen, dann über Details. Lammasch teilte offen mit, daß Kaiser Karl, bestärkt von Kaiserin Zita, Präsident Wilson eine Geheimbotschaft senden wollte, die nur wenige, nicht einmal Graf Czernin (!) kannten. Lammasch charakterisierte den k.u.k. Außenminister in gewissem Sinn als liberal, doch ganz unter preußischem Einfluß. Der Kaiser hätte von ihm verlangt, entweder dem amerikanischen Präsidenten zu antworten oder zu demissionieren. Czernin mußte Kaiser Karl versprechen, unverzüglich seine Rede (vom 24. 1.1918) via Holland oder Dänemark weiterzuleiten, das hätte Deutschland verhindert. Unter der Aufsicht des Kaisers konzipiert, sei diese Rede nur eine blasse und unschlüssige Präsentation seiner Ideen. Er wäre fest entschlossen, Österreich–Ungarn durch Verfassungsänderung, in eine Konföderation umzuwandeln, die Lammasch skizzierte. Dazu bedürfte der Kaiser die Hilfe der USA. “In einem mehrstufigen Friedensplan” erwartete Kaiser Karl von Präsident Wilson zuerst eine öffentliche Stellungnahme zur Rede Czernins und die Anerkennung der Friedensbereitschaft Österreich– Ungarns. Dann würde sich der Kaiser in einem öffentlichen Brief an Papst Benedikt XV. für eine selbständige Entwicklung der Nationalitäten in Österreich–Ungarn und ihre Integration in die Donaumonarchie aussprchen, und der allgemeinen Abrüstung, der Errichtung des Völkerbundes und der Selbstbestimmung oder Autonomie der Nationen zustimmen. Auf dieser Grundlage wären Fragen wie Elsaß–Lothringen oder der Irredenta leicht zu lösen. Der Brief des Kaisers an den Papst sollte der Weltpresse übergeben werden. Kaiser Karl wollte versuchen, sich mit Hilfe des Papstes und der USA von Deutschland zu lösen.
Herron übermittelte seine erstaunten Reaktionen auf die österreichischen Vorschläge nach Washington: „< Aber das ist ganz im Gegensatz zu Czernin,.> sagte ich. < Meinen Sie, daß Sie uns die innere Konstruktion Ihres Reiches zu diktieren erlauben.?> Seine [Lammasch]Antwort war außerordentlich: Ich konnte meinen Ohren kaum trauen. Dann folgte das nächste: < Natürlich>, sagte ich [Herron],< was ist, wenn Deutschland ablehnt?> , und jetzt kam ein Geheimnis heraus, an das er sich sehr gut erinnerte , und in das er mich vielleicht einweihen wollte. .“
Hier ist zu erinnern, daß in der ersten Jahreshälfte 1917 vertrauliche Gespräche Kaiser Karls mit Bayern, Württemberg, Sachsen und Baden stattgefunden haben dürften. Anhaltspunkt dafür ist die Reise des Kaiserpaares vom 30. Juni bis 2. Juli 1917 nach Bayern und Württemberg (Stuttgart), bei der Kaiser Karl mit Pacelli außerhalb Münchens am 30.Juni zusammentraf. Der damalige österreichische Handelsminister Friedrich von Wieser und Reminiszenzen Kaiser Karls in der Schweiz und in Madeira erhärten diese Fakten. Damit dürften die Drohungen Kaiser Wilhelms und der DOHL wegen gewisser Geheimtreibereien gegen das deutsch–österreichische Bündnis “in Österreich einzumarschieren und Prag zu besetzen,” die mit 13. Juli 1917 beginnen, zusammenhängen.
Herron reflektierte: Österreich würde nicht das deutsche Spiel sondern jenes des Papstes spielen. Es brauche die USA, um sich von Deutschland zu lösen und den Traum des jungen Kaisers zu erfüllen, das Heilige Römische Reich in moderner Form wiederzubeleben. Jedoch die autokratische Ordnung des Gottesgnadentums widerspräche dem amerikanischen Programm der Demokratie. Lammasch ginge es um die Restauration des katholischen Reiches, was, so Herron, die Unabhängigkeitstendenzen der Völker in der Monarchie nicht befriedige, ja sie verriete. Herron lehnte die Vermittlung des Papstes ab und schlug einen Direktkontakt Kaiser Karls zu Wilson vor, dem interessanterweise auch Papst Benedikt XV. zustimmte. Damals vertraten in den USA Jesuiten, Bischöfe und Kardinäle, öffentlich die päpstliche Friedenspolitik als mit den 14 Punkten Wilson übereinstimmend.
Am Nachmittag des 4. Februars diskutierten Lammasch und Herron vor dem Hintergrund der russischen Revolution territoriale Fragen zur Neugestaltung Europas, wobei das Interesse der USA eher den Italienern und Südslawen als den Tschechen galt. Herron schlug vor, Kaiser Karl und Wilson sollten gemeinsam Europa retten. Zuerst müßte Präsident Wilson eine Rede halten, dann Kaiser Karl die Initiative ergreifen. Lammasch versprach, sein Möglichstes zu tun, Seine Majestät dazu zu bestimmen.
H. Wilson informierte die Botschaften von London und Paris, De Jong telegraphierte an Meinl. Daraufhin sandte Kaiser Karl Demblin im Eiltempo nach Berlin, wo Czernin mit großer österreichischer Delegation, über die mögliche Auflösung des österreichisch–deutschen Kriegsbündnisses konferierte. Der diplomatische Ausweg aus der deutschen Dominanz schien mit der konfliktlösenden Formel: “Österreich–Ungarn ist nicht verpflichtet, weiter zu kämpfen, falls die Entente bereit wäre, auf Grund des territorialen status quo und des Programmes Frieden zu schliessen, und Deutschland darauf nicht eingeht,” gefunden. Lord Balfour davon über den Geheimdienst informiert, signalisierte dies sofort den Amerikanern.
Wilson antwortete am 11. Februar 1918 vor dem Kongreß auf die Reden Czernins und Hertlings. Der Präsident stellte sich gegen die Ansichten Hertlings, akzeptierte aber die freundliche Formulierung Czernins. Damit bot er das mit Lammasch vereinbarte Stichwort zur öffentlichen Erklärung Kaiser Karls über Selbstbestimmungsrecht, Autonomie der Völker und Programm der Donaukonföderation. Wilson erläuterte seine Friedensgrundsätze diesmal in vier Punkten. Er forderte einen dauernden Frieden. Die Völker dürften nicht willkürlich verschoben,. ihre nationalen Ansprüche müßten erfüllt, sie selbst von autokratischer Herrschaft befreit werden. Im Sinne der aufgeklärten Menschheit wollten die USA mit ihrem Dienst für die Freiheit eine neue Weltordnung schaffen.
In dieser Phase der Annäherung Österreich–Ungarns an die USA schaltete sich jetzt Kühlmann ein. Er brauchte Czernin als Partner, um sich gegen die Zwänge der deutschen Generale behaupten und Deutschlands angeblichen Sieg retten zu können. Agenten hatten Berlin von der geheimen Friedenssondierung Lammasch–Herron benachrichtigt. Nun informierte Kühlmann in Brest Litowsk davon Graf Czernin und erreichte bei dem vom Kaiser düpierten Außenminister, was er wollte. Dazu Kühlmann in seinen Erinnerungen: “[…] Es war mir vollkommen klar, daß, falls es der gegnerischen Diplomatie gelang, uns von Österreich–Ungarn zu trennen, die Niederlage Deutschlands nur noch eine Frage kurzer Zeit sein könne.” [Hervorhbg. d. d. Vfin.]
Gleichzeitig erfuhr Lammasch über De Jong von der Absicht der USA, Österreich–Ungarn finanziell zu unterstützen, sobald es Friedensverhandlungen einleite und den Krieg einstelle.
Der offizielle Brief Kaiser Karls an Wilson vom17. Februar, in dem er zu den vier Punkten des amerikanischen Präsidenten positiv Stellung nahm, enthielt bereits Formulierungen Czernins: Kaiser Karl stimmte in fast allen Punkten mit Wilson überein. Diesem Schreiben fehlte jedoch–was Lammasch so dringend empfohlen hatte – die Zusage, den Völkern Autonomie und Selbstbestimmungsrecht zu gewähren, sein Einverständnis zu ihrer freien Wahl der Staatsform. Lord Balfour, von Wilson zum Gutachten aufgefordert, erkannte in dem Schreiben Kaiser Karls die Positionen Czernins und jener Politik, die der deutsche Kaiser vertrat. Er empfahl Wilson, mit Österreich–Ungarn zu verhandeln, würde Czernin dazu gebracht, die Auffassungen seines Kaisers zu vertreten. Lammasch hatte Herron zu Gesprächen nach Wien eingeladen. Wilson grundsätzlich damit einverstanden, wollte jedoch die kaiserliche Antwort auf die Gespräche in der Schweiz abwarten. Am 5. März 1918 reagierte er positiv und gab sogar, Don Juan Riano y Gayangos, dem spanischen Repräsentanten in den USA, den von ihm persönlich getippten Text zur Weiterleitung nach Wien. Wilson wollte konkretere Vorschläge zur Lösung der Balkanfragen, des italienischen Problems und der türkischen Autonomien bekommen. Was die Restitution Belgiens und die polnische Frage betraf, war auch er bereit, Vorschläge anzunehmen und weiter zu verhandeln.
Czernin teilte Kühlmann mit, Kaiser Karl versuche über den König von Spanien “auf Grund der Wilson’schen Kundgebung zwischen den Kriegsführenden zu vermitteln”. Er habe ähnlich wie Hertling die “bekannten vier Punkte” als Verhandlungsgrundlage bezeichnet.” Wilson wünsche einen Allgemeinen Frieden, dagegen stünden die bereits geschlossenen Sonderfrieden [mit Rußland und Rumänien].Graf Czernin versprach Kühlmann, bestimmt auf der Linie zu bleiben, und keine Diskussion über die geschlossenen Sonderfrieden anzunehmen, an dem Grundsatz der Verhandlung von Macht zu Macht und nicht von Gruppe zu Gruppe unbedingt festzuhalten. Er beabsichtige, nichts zu tun und Kaiser Karl auf den mündlichen Vortrag nach seiner Rückkehr aus Bukarest zu vertrösten. Czernin äußerte zu Kühlmann”[…] dass die durch Furcht und Revolution nervös hervortretende Friedenssehnsucht seines Monarchen ihm bei der Führung der auswärtigen Politik die grössten Schwierigkeiten bereite, ich [Kühlmann] unterliess es nicht, ihm mein ernstes Befremden über derartige Sonderaktionen zum Ausdruck zu bringen, die dazu beitragen könnten, die Gegner zu ermutigen und unser gegenseitiges Vertrauensverhältnis zu gefährden. Er versprach mir, die gewechselten Mitteilungen tunlichst im Wortlaut (!)vorzulegen[…].”
Herron und Dr. De Jong versuchten in Genf, die Deutschen zu Verhandlungen mit den USA zu bewegen. Der deutsche Botschafter lehnte ab,”[…]den Separatfrieden im Osten nicht als vollendete Tatsache zu betrachten[…].”
Am 28. Februar 1918 hatte das Österreichische Herrenhaus den Friedensvertrag mit der Ukraine diskutiert. Das Cholmer Land war an die neue Ukrainische Volksrepublik abgetreten. Die Polen hatten Czernin wütend bezichtigt, Österreich–Ungarn an den “deutschen Imperialismus” verraten zu haben. Die meisten österreichischen Redner unterstützten swn Minister, Erzbischof Szepticki von Lemberg verfocht weiterhin sein Konzept einer autonomen ukrainischen Provinz im österreichischen Staatsverband. Allein Lammasch hatte die Friedenspolitik Kaiser Karls verteidigt: diese Debatte würde nicht den Allgemeinen Frieden, der nach dem Zerfall Rußlands möglich schien, fördern. Die Friedenschancen im Westen wären ausgezeichnet. Die Monarchie sei bis auf einen Teil im Südwesten frei von feindlicher Besetzung und das Ziel eines Verhandlungsfriedens erreicht. Lammasch trat für einen selbständigen Bundesstaat Elsaß–Lothringen ein; es wäre kein österreichisches Kriegsziel das Rheinland zu erhalten. Lammasch, bereits von heftigen Zwischenrufen unterbrochen, beschwor das Herrenhaus, die Friedensbemühungen des Papstes zu akzeptieren. Die 14 Punkte Wilsons seien vollständig diskutabel und Lammasch kritisierte Czernin, die Rede Wilsons vom 11. Februar nicht mehr beantwortet zu haben. Er riet dringend, die ausgestreckte Hand der USA zu ergreifen, ihren drohenden Kriegseintritt ernst zu nehmen und einen ehrenvollen Frieden abzuschließen. Seine apokalyptischen Vorstellungen über die Wirkungen des fortgesetzten Krieges wurden von Zwischenrufen ” Wir wollen Krieg und Sieg ! ” [Hervorhbg d. d. Vfin]übertönt. Man hörte Lammasch nicht mehr, als er von den USA und Österreich–Ungarn als den einzigen Stabilitätsfaktoren sprach. Polzer–Hoditz bezeichnete die Szene als offenkundige Fronde gegen den Kaiser und den einzigen Anwalt seiner Friedenspolitik.
Am 15. März überreichte der apostolische Delegat in der Schweiz dem Prinzen Schönburg, einen Brief Benedikts XV. an Kaiser Karl: der Papst genehmigte darin die Mission Pacellis zu italienisch–österreichischen Friedensverhandlungen und drängte, sie vor der deutschen Westoffensive ( 21. März 1918) zu beginnen. kam Statt auf vertraulichem Weg gelangte dieses Schreiben über Kardinalstaatssekretär Gasparri, der in Friedenssondierungen mit Italien stand, offiziell nach Wioen. So konnte Demblin entdecken, daß angeblich hinter dem Rücken Czernins Verhandlungen mit Italien angebahnt worden waren. Er informierte den Minister und ließ sich vom ihm delegieren, den Kaiser zu stellen. Es war am Dienstag, den 19. März am frühen Abend nach Truppeninspektionen ” in Franzensfeste am Perron auf–und abgehend” ein schwieriges Gespräch. Demblin machte dem Kaiser Vorhaltungen: er würde die Arbeit Czernins sehr erschweren, ihn persönlich kränken und für den Monarchen selbst gefährlich sein: Sein Wort würde ihn so binden, daß er es nicht zurücknehmen könnte, während ein Minister in so einem Fall eben zurücktrete. Der Kaiser sollte sich deshalb nicht persönlich in der Politik engagieren( sic!). Statt Demblin abzuweisen, denn Kaiser Karl hatte Czernin von der Mission Pacellis tatsächlich informiert, was auch Demblin, in dessen Nachlaß das Telegramm des Kaisers an Czenin liegt, wissen mußte, er ließ sich auf eine Diskussion ein, gab zu, daß es sich um Friedensfragen mit Italien gehandelt hätte, und sprach über den Inhalt des päpstlichen Briefes wie im ehemaligen Telegramm an Czernin. Trotzdem ließ er sich ermahnen “[…]über jeden ihm auch noch so harmlos erscheinenden politischen Meinungsaustausch E[uer] E[xzellenz] zu informieren, da sonst unberechenbare Schwierigkeiten entstehen könnten[…].” Sofern das Gespräch tatsächlich wie aufgezeichnet verlaufen war. Kaiser Karl, sehr peinlich berührt, versicherte, er würde nie etwas unternehmen, was im Gegensatz zur Politik Czernins stünde. Demblin hatte das Monopol der Czernin` schen Außenpolitik gezielt verteidigt, der Kaiser war in seine Falle gegangen, und Czernin stellte ihn einmal wieder vor die Entscheidung, “daß die Politik hinter meinem Rücken zu einem Bruch zwischen ihm und mir führen muß” Diese Entdeckung angeblicher Alleingänge des Kaisers schien die Vorbereitungen Czernins, den Kaisers zum Rückzug zu drängen , zu rechtfertigen. Wollte Kaiser Karl Czernin weiter im Amt behalten, mußte er Lammasch fallen lassen und, wie in der Geheimdiplomatie üblich, alles dementieren oder bagatellisieren. Sein Brief an Wilson vom 22. März 1918, von Czernin als “verschwendete diplomatische Munition” betrachtet, setzt die Kenntnis dieser Vorgänge voraus. Kaiser Karl versicherte Wilson , sämtliche offenen Fragen in mündlichen Verhandlungen lösen zu können. In eine Korrespondenz würden sich häufig Mißverständnisse einschleichen, das Vorgehen sei umständlich und langwierig und im “[…]schreienden Gegensatz zu der begreiflicherweise immer mehr erstarkenden Friedenssehnsucht aller Völker, denen wir mit dieser Aussprache dienen wollen[…].” Der zweite Teil dieses Schreibens an den Präsidenten der USA stammt von Czernin, und endete provokant: “[…]Es gibt nur mehr ein Friedenshindernis, welches nicht in offener Aussprache und wechselseitigem Einvernehmen zu lösen ist und das ist die Eroberungslust Italiens und Frankreichs. Wenn der Herr Präsident es erreicht, daß diese beiden Staaten auf ihre Eroberungspläne verzichten, so wird er dem Weltfrieden die Türe geöffnet haben[…].”
Deutschland war von weiteren Kontakten der Professoren Lammasch und Herron informiert. Am 23. März 1918 telegraphierte Amerikas Botschafter Stovall aus der Schweiz, Graf Wedel hätte der österreichischen Regierung ein Ultimatum gestellt: Kaiser Karl sollte entweder Lammasch fallen lassen oder die deutsche Besetzung Wiens erwarten. Die österreichische Regierung sei angewiesen, auszuweichen und die Verhandlungen von Lammasch in der Schweiz zu leugnen. Der Kaiser persönlich–so der Informant Stovalls–stünde zu Lammasch und erklärte, er würde bis zu seinem Tod für die Donaukonföderation, für die vollständige Trennung von der deutschen Politik und für eine Neuorientierung mit den Westmächten kämpfen.”
Die Depesche mit dem Kaiserbrief vom 22. März 1918 erreichte den amerikanischen Präsidenten über den britischen Geheimdienst. Vermutlich hielt man in Spanien auf Weisung Czernins die Nachricht Kaiser Karls an den Präsidenten der USA zurück. Wilson antwortete nicht mehr. Czernin hatte die letzten vielleicht Erfolg versprechenden Friedensbemühungen Kaiser Karls gestoppt, seine Zusage an Kühlmann eingehalten, den Kaiser und Lammasch, seinen praesumptiven Nachfolger und alten Feind, besiegt und sich gründlich gerächt.

LETZTE SONDIERUNGEN FRANKREICHS UND GROßBRITANNIENS
Ähnlich verhielt sich der Minister zu den Friedenssondierungen Frankreichs und Englands in den ersten drei Monaten des Jahres 1918. Graf Nikolaus Revertera erfuhr Mitte Jänner, Graf Abel Armand wolle die im Herbst 1917 abgeschlossenen Verhandlungen wieder aufnehmen. Im Einverständnis mit Czernin, der den Kaiser vorläufig nicht informierte, fanden am 1. Februar 1918 wieder Gespräche beim Freiburger Laryngologen Dr. Henri Reymond statt. Obwohl die französische Position unverändert war, erschien sie Revertera weniger scharf vorgebracht. Es wurde klar, daß Frankreich vor der deutschen Westoffensive die Kontakte nicht abreißen lassen und den Einsatz von k.u.k. Truppen im Westen verhindern wollte. Revertera ersuchte Czernin, die Bedingungen, unter denen er einen Bevollmächtigten in die Schweiz senden wollte, bekanntzugeben. Erst am 22. Februar 1918 antwortete Czernin:”[…]Sowie Frankreich auf seine Eroberungsabsichten verzichtet, ist ein Gespräch mit Aussicht auf Erfolg möglich, ohne dem halte ich es für aussichtslos[…].” Graf Armand betrachtete diesen Text als kaum erfolgversprechend. Er ersuchte Revertera um ein schriftliches Resümee, das dieser nach einiger Bedenkzeit anfertigte. Revertera schrieb: würde Deutschland die Abtretung von Elsaß–Lothringen an Frankreich verweigern, könnte Kaiser Karl die Möglichkeit haben, sich von seinem Verbündeten zu trennen. Darauf reagierte Clémenceau negativ, die deutsche Frühjahrsoffensive konnte beginnen.
Legationsrat Graf Skrzynski suchte in Montreux den Kontakt zu England wiederherzustellen, der nach Veröffentlichung der Smuts–Mensdorff–Begegnung abzureißen drohte. Auch England wollte die Entsendung von k.u.k. Truppen an die Westfront verhindern. Man machte tastende Versuche zum Gespräch. Czernin orderte, Skrzynski habe die englische Annäherung abzulehnen. Schließlich vermochte Graf Mensdorff doch die Erlaubnis zum Kontakt mit Philipp Kerr, dem Privatsekretär von Lloyd George, zu erwirken. Kerr legte in Fortsetzung der Smuts–Mensdorff–Gespräche disktutable Bedingungen vor, doch Skrzynski mußte sich negativ verhalten. Czernin telegraphierte aus Bukarest, Skrzynski möge Kerr sagen lassen:”[…]Solange Italien an seinen Eroberungsabsichten festhält, solange Frankreich erklärt, Elsaß –Lothringen erhalten zu müssen, ist ein Frieden mit diesen beiden Staaten unmöglich und niemals werden die Zentralmächte sich bereit finden, diesen ganz unberechtigten Eroberungsgelüsten der Feinde nachzugeben. […].”
Mit diesen analogen Antworten an die USA, an Frankreich und England vernichtete Czernin sämtliche Ansätze, weitere Friedensverhandlungen vorzubereiten, sich vom deutschen Bündnispartner zu lösen und die Donaumonarchie vor ihrem Untergang zu retten. Er schlug absichtlich und bewußt die noch halb offenen Tore zum Frieden zu. Nach dem Ende der Monarchie verteidigte er sich, im deutschen Bundesgenossen den potenten Führer zum Siegfrieden erblickt zu haben Im übrigen hätte ihn der Kaiser übergangen. Im damaligen Augenblick fühlte er sich als “Sieger ” über die “falsche Politik” Kaiser Karls und bereitete die Sixtusaffaire vor, über die ausführlich berichtet wird .
Am 06. Februar hatte Marques Villalobar dem spanischen Außenminister Alhucemas Beobachtungen zur weltpolitischen Lage geschrieben. Sie wollen wir ans Ende dieses Kapitels setzen:”[…]Die Deutschen scheinen nicht so zufrieden zu sein, wie sie es zu Beginn der russischen Verhandlungen erhofften, doch sie arbeiten trotzdem mit Nachdruck, um etwas zustand zu bringen; auf jeden Fall lassen Sie(sic!) die russische Streitmacht und Intervention bei ihrer ganzen Kriegführung so weitgehend außer acht, daß es ihnen möglich ist, eine sehr baldige Offensive vorzubereiten, die–nach dem zu urteilen, was wir hier sehen–gewaltig sein muß, und zwar so sehr, daß sie im Falle eines Mißerfolgs die totale Niederlage Deutschlands bedeuten würde. In dieser Hinsicht und wenn man ganz allein das Ende dieses Krieges in Betracht zieht, der Europa zugrunde richtet, wird das ein Vorteil sein, denn die absolut Neutralen können das Ende des Konfliktes nur mit Wohlgefallen betrachten, wie immer es auch sei. Klüger wäre es, wenn sich alle Regierungen baldmöglichst verständigten und diesen schrecklichen Verlust an Menschenleben und Gütern vermieden und wenn der Frieden von den genannten Regierungen geschlossen würde und nicht von den Völkern, die dabei einen Sozialismus durchsetzen, der alles Bestehende zerstört. Zudem muß man damit rechnen, daß bei all diesen Verhandlungen und Wandlungen die Vereinigten Staaten, die schon einen guten Teil von Europas Vermögenswerten in ihren Krallen halten, unter dem Vorwand des Krieges in ihren Grenzen den Imperialismus aufbauen, den sie anderswo niederreißen wollen; sie stellen ihn dabei in den Dienst ihrer Demokratie und benutzen diese als Mittel zur Zerstörung der zentraleuropäischen Kaiserreiche, welche nach dem Verschwinden des Russischen Kaiserreiches die stärkste in Europa nach vorhandene Manifestation der Monarchie sind. Eben diese Vereinigten Staaten bestehen zu einem sehr großen Teil – mehr als der Hälfte – aus abtrünnigen deutschen Untertanen, unter denen sich nicht wenige prominente Politiker Washingtons, und zwar aus dem Kreise der “Leaders” befinden. All das wird daher unzweifelhaft ein ausgezeichneter Kanal sein, um die besagte Demokratie in Europa zu etablieren; sie wird, gemeinsam mit der Hegemonie des amerikanischen Kapitols über alle anderen Republiken seines weiten Kontinents, dazu beitragen, die aus seiner Sicht natürlichen und ehrgeizigen Träume Wilsons zu realisieren. Die einzige Nation, die dem ein Bollwerk entgegenstellen und Europas Retter sein kann, ist Großbritannien; aber es scheint mir, daß seine jetzigen Führer mehr zugunsten dieser Demokratie wirken als zugunsten der englischen Tradition”[…]