Biographisches zu Erzherzog Carl Franz Joseph
Kaiser Franz Joseph hinterließ kein politisches Testament. Das persönliche Testament vom 06. Februar 1901 erwähnte den Thronfolger, damals Erzherzog Franz Ferdinand, nur ganz allgemein: “[…]Meinen geliebten Völkern sage Ich vollen Dank für die treue Liebe, welche sie Mir und Meinem Hause in glücklichen Tagen, wie in bedrängten Zeiten bethäthigten. Das Bewußtsein dieser Anhänglichkeit that Meinem Herzen wohl und stärkte Mich in der Erfüllung schwerer Regentenpflicht. Mögen sie dieselben patriotischen Gesinnungen Meinem Regierungsnachfolger bewahren. Auch Meiner Armee und Flotte gedenke Ich mit den Gefühlen größten Dankes für ihre Tapferkeit und treue Ergebenheit. Ihre Siege erfüllten Mich mit freudigem Stolze, unverschuldetes Mißgeschick mit schmerzlicher Trauer. Der vortreffliche Geist, welcher Armee und Flotte, sowie Meine beiden Landwehren von jeher beseelte, bürgt Mir dafür, daß Mein Regierungsnachfolger nicht minder auf sie zählen darf als Ich.[…][i]
“Die Verantwortung vor der Geschichte trägt immer der Monarch”, diesen Satz hatte der alte Kaiser dem Thronfolger Erzherzog Carl eingeschärft. Er kann als politisches Testament gelten und stammt aus der Erfahrung Franz Josephs mit dem Konstitutionalismus in Österreich–Ungarn. Kaiser Karl erlebte mit den Politikern ähnliches wie der alte Kaiser. Dieser hatte ihm “[…] wiederholt eingeschärft, daß die ganze Ministerverantwortlichkeit doch nur eine Farce ist. In Wahrheit tragen wir, und nur wir, die Verantwortung. Weiland Seine Majestät hat mir oft gesagt, ich soll das nie vergessen.>”[ii]
Genau besehen, war der Konsens zwischen dem Herrscher und seinen Regierungen fadenscheinig, das Königsamt in der politischen Diskussion, die Flucht von Amtsträgern vor der öffentlichen Rechenschaft in Privatsphäre und Anonymität, ein Signum des heraufziehenden Massenzeitalters, schon Praxis.[iii]
Kaiser und König Karl war sich seiner Berufung zum Herrscher “von Gottes Gnaden” sehr bewußt. In der Tradition seines Hauses anerkannte er über sich niemanden als den christlichen Gott, dessen Ruf er folgte, dessen Gebote und Gesetze Entscheidungen und Handlungen zu bestimmen hatten, dem allein er verantwortlich und Rechenschaft schuldig war. Der Papst in Rom war die einzige irdische Autorität, der er sich beugte.[iv] Hierin unterschied er sich von seinem toten Großonkel,[v] dessen Herrschaft an seinem Totenbett auf ihn übergegangen war.[vi]
Erzherzog Carl, Franz Joseph, Ludwig, Hubert, Georg, Otto, Maria, nunmehr Kaiser Karl I. von Österreich und König Karl IV. von Ungarn, stammte aus der Linie von Erzherzog Karl Ludwig, des Bruders von Franz Joseph. Sein Vater, Erzherzog Otto, war der jüngere Bruder des in Sarajewo ermordeten Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand.[vii] Erzherzogin Maria Josepha, Tochter des Königs Georg von Sachsen, war die Mutter.
Erzherzog Carl wurde am 17. August 1887 in Schloß Persenbeug an der Ybbs geboren, am Tag nach seiner Taufe (19. August 1887)[viii] überfielen die Erzherzogin schwere Nierenkrämpfe, drei Tage zitterte man um ihr Leben.[ix] Die Eltern waren ein sehr ungleiches Paar. Der 22–jährige Erzherzog Otto, ein schöner, eleganter und lebenslustiger Kavallerist,(“etwas charakterschwach”), zur militärischen Laufbahn bestimmt, hatte die um zwei Jahre jüngere sächsische Prinzessin zweifellos aus Staats–oder Hausräson geheiratet. Sie war “[…]ein stiller, tiefer Charakter, große Frömmigkeit, Pflichtbewußtsein, Bildung und Gründlichkeit zeichneten sie aus, äußerlich war sie etwas kühl[…].”[x] Bald zeigte es sich, daß die Ehe der beiden nicht glücklich war.[xi]
Die junge Familie teilte das Leben des Regimenter und Garnisonen wechselnden Erzherzogs Otto, der in der militärischen Ausbildung stand.[xii] Der Tod des Kronprinzen Rudolph (30. Jänner 1889) verschob die Erbfolge; er war für die gesamte Dynastie ein großer Schock und sie machte die europäische Massonnerie, deren Mitglied der Kronprinz war, dafür verantwortlich.[xiii] Erzherzog Franz Ferdinand, orientierte sich seither an der wiederauflebenden Staats–und Hausmystik der Dynastie, am Gottesgnadentum der Habsburger..[xiv]Das konservativ katholische Element, ein Charakteristikum die Familie Erzherzog Karl Ludwigs, bestimmte auch die Erziehung von Erzherzog Carl Franz Joseph. Man behielt die bewährten Lehrer von Vater, Onkeln und Tanten und den Grafen Georg Wallis, der 1894 sein Ajo primo wurde. Nachdem Erzherzogin Maria Josepha mit ihrem Sohn den Winter 1893 auf 1894 in Cannes verbracht hatte, begann der private Volksschulunterricht in Ödenburg.[xv] Am 13. April 1895 wurde Erzherzog Maximilian Eugen, geboren, Erzherzog Otto wegen der schweren Tuberkulose seines Bruders als präsumptiver Thronfolger nach Wien berufen.Das Augartenpalais wurde nun sein Wohnsitz und er ernhielt einen eigenen Hofstaat.[xvi] In seiner militärischen Karriere stieg Erzherzog Otto vom Generalmajor (1896) über den Feldmarschalleutnant (1899) zum General (1905) auf. Die Qualifikationslisten weisen ihn als begabten, pflicht–und diensteifrigen Offizier aus, der sein Regiment vorzüglich führte, den militärischen Geist der Truppe durch das eigene Beispiel hob und sich mit Herz für sie einsetzte.[xvii] Die Eheschließung von Erzherzog Franz Ferdinand mit Gräfin Sophie Chotek (1899) und die damit verbundene Renuntiation für seine Nachkommen, steigerte die dynastische Bedeutung Erzherzog Ottos und seines ältesten Sohnes. Als dieser für das Gymnasium reif war, wurde Emmerich Freiherr von Mattencloit, Rittmeister des Dragonerregiments Nr.13, sein zweiter Erzieher und Reitlehrer..[xviii] Mit einer Gruppe von Lehrern bereitete der Hofmeister Dr. Holzlechner mühelos Erzherzog Carl für den Abschluß des Untergymnasiums vor. Er lernte leicht und gut, war gewissenhaft und angenehm zu behandeln.[xix]
Am 3. November 1900 erschien der Erzherzog zum erstenmal im Wiener Schottengymnasium, “[…]um an dem öffentlichen Unterrichte in der Naturwissenschaft in der dritten Classe (Prof Stephan Fellner) theilzunehmen[…]”, seitdem kam er regelmäßig. Am 27.Juni 1901 legte er mit Erfolg seine Prüfungen über den Stoff des Untergymnasiums ab. Auch in den folgenden Schuljahren 1901–1903 besuchte er den naturwissenschaftlichen Unterricht in Physik, Mineralogie und Botanik. Seine Zeugnisse bestätigten den vorzüglichen Prüfungserfolg.[xx] Parallell zum Unterricht bei den Schotten kam der Erzherzog fallweise in das prominente Jesuitenkolleg nach Kalksburg bei Wien, um dort Sport zu betreiben. Der Generalpräfekt, P. Karl Graf Andlau SJ, hatte diese Möglichkeiten geboten und Einfluß auf das religiöse Leben des jungen Erzherzogs gewonnen.[xxi]
Der Privatunterricht dauerte an, denn Kaiser Franz Joseph hatte Erzherzog Carl verboten, die Matura abzulegen. “[…]Er fand, daß es sich für ein Mitglied des Kaiserhauses nicht schicke, in öffentliche Konkurrenz zu treten. Dieser Entschluß des Kaisers war für den jungen Erzherzog ungemein schwer, weil er ein fleißiger und ausdauernder Schüler war[…].”[xxii]
Es dürfte im Jahre 1903 gewesen sein, Erzherzog Otto war längere Zeit erkrankt, als sich das öffentliche Interesse dessen Sohn Carl zuwandte. Die Eltern waren besorgt, die Erziehung zu verlieren. Würde Erzherzog Carl zum “Staatskind” werden, sei der liberale und freimaurerische Einfluß unvermeidbar. Erzherzog Otto ersuchte seine Gattin, Kaiser Franz Joseph zu bitten, die öffentliche Erziehung ihres Sohnes abzuwenden. Der Kaiser erfüllte diesen Wunsch, Graf Wallis wurde bevollmächtigt, nach den Vorstellungen der Eltern wie nach eigenen Intentionen mit Erzherzog Carl weiter zuarbeiten.[xxiii] Seit damals hielt sich das Gerücht, man habe dem Erzherzog eine gründliche Ausbildung versagt, seine Kenntnisse reichten nicht über die fünfte Gymnasialklasse hinaus.[xxiv]
Vom Vater zur Soldatenlaufbahn bestimmt, wurde Erzherzog Carl am 1. November 1903 Leutnant im Ulanenregiment Nr.1″Erzherzog Otto”.[xxv] Eine umfangreiche sportliche Ausbildung in Reiten, Fechten, Schwimmen und Eislaufen hatte ihn darauf vorbereitet; Reisen nach Ungarn und Frankreich erweiterten seinen Horizont.[xxvi]
Als 1904 Erzherzog Otto wegen seiner schlechten Gesundheit als präsumtpiver Thronfolger nicht mehr in Frage kam, bestimmte er für seinen Sohn Carl parallel zur militärischen Ausbildung die Absolvierung juridischer Universitätsstudien.[xxvii] Ähnlich wie bei der Matura verbot Kaiser Franz Joseph dem Erzherzog auch den Besuch der Universität.[xxviii]
Während einer “Kaltwasserkur” in Brixen begegnete Erzherzog Carl Arthur von Polzer–Hoditz, der sein Mentor wurde. “[…]Trotz des bedeutenden Altersunterschiedes von nahezu zwanzig Jahren suchte der Erzherzog gerne meine Gesellschaft. Ich freute mich über sein sonniges Wesen, über seine heitere, offene Gemütsart und über die Herzensgüte. […] Bei aller jugendlichen Lebensfreude liebte er ernste Gespräche. Ich war oft erstaunt über das einfache und klare Urteil, das er über Menschen und Dinge aussprach. Dieses Urteil war immer wohlwollend, niemals gehässig. Er zeigte viel Sinn für Naturschönheiten und liebte die Berge. Dabei war er fern von jeder Sentimentalität. Er haßte die Pose[…] Ein auffallend gutes Gedächtnis fiel mir schon damals an ihm auf, nicht nur für Menschen, sondern auch für Begebenheiten[…].”[xxix] Nach Abschluß der privaten Gymnasialstudien mit Fremdsprachen[xxx] und einem sehr fundierter Religionsunterricht rückte Erzherzog Carl am 1. Oktober 1905 als Leutnant zum Dragonerregiment Nr. 7 “Herzog von Lothringen” ein. Er sollte in Kutterschitz bei Bilin ein Jahr Eskadronsdienste leisten.[xxxi] Graf Wallis blieb als Kammerherr an seiner Seite. Mit 30. September 1906 wurde der Erzherzog in die Evidenz nach Dobran versetzt, am 01. November verstarb sein Vater, Erzherzog Franz Ferdinand war nun der Vormund.[xxxii]
Am Todestag des Vaters wurde Erzherzog Carl zum Oberleutnant befördert,[xxxiii] kurz danach bezog er gemeinsam mit Graf Wallis in Prag eine Wohnung auf dem Hradschin, die juridische Studienausbildung begann. Der Studienplan, von Polzer–Hoditz entworfen, wurde von Kaiser Franz Joseph und dem damaligen Minister für Cultus und Unterricht, Richard von Bienerth–Schmerling, unverändert genehmigt. Die Professoren der Universität Prag von Ott (Studienleiter), Bráf, Goll, Pfaff und Ulbrich hielten für den Erzherzog Privatvorlesungen. Er hörte Staats–, Verwaltungs–und Völkerrecht, Kanonisches und Kirchenrecht, Zivil–und Strafrecht, Nationalökonomie und Finanzwissenschaft.[xxxiv] An seinem zwanzigsten Geburtstag erklärte ihn Erzherzog Franz Ferdinand für großjährig.[xxxv]
Die Ferstelvilla Wartholz bei Reichenau war Erzherzog Carls liebster Aufenthaltsort. Sein Vater hatte nach dem Tod von Erzherzog Karl Ludwig (1896) das Benützungsrecht für Wartholz vom Familienfonds erworben. Hier hatte Erzherzog Carl 1899 die erste heilige Kommunion empfangen, hier war er am 14. September 1901 gefirmt worden,[xxxvi] in Wartholz konnte er seinen Drang nach Bewegung und frischer Luft ausleben.[xxxvii] Mit der Großjährigkeitserklärung änderten sich Status und Umgebung. Die Lehrer und Erzieher wurden entlassen, Prinz Zdenko Lobkowicz zum Kammervorsteher, Graf Franz Ledebur zum Dienstkämmerer bestellt. Erzherzog Carl hatte nun einen eigenen Haushalt und eigenes Geld.[xxxviii]
Seine Entwicklung wurde von drei Damen der Familie und Graf Wallis geprägt. Die Mutter, Erzherzogin Maria Josepha, fühlte sich für seine Erziehung sehr verantwortlich.[xxxix]Von 1890 bis 1906 überhäuften sie in Vertretung der Kaiserin Repräsentationspflichten. Die religiöse Erziehung des Erzherzogs übernahm Dr. Godfried Marschall in der Tradition habsburgischer Hofbeichtväter und Prinzenerzieher. Marschalls Predigt zur Erstkommunion des Erzherzogs enthält das gesamte religiöse Programm, das der spätere Kaiser lebte.[xl] Erzherzogin Maria Theresia, die dritte Gemahlin von Erzherzog Karl Ludwig,[xli] vertrat die Mutter. Die “Stiefgroßmama” wird als tatkräftige, gerade, gescheite Frau, “[…] sehr realistisch im Leben stehend[…]”, beschrieben. Sie vermittelte Erzherzog Carl “[…]großes Pflichbewußtsein, große Geradheit in Art und Ziel, die keine Abschweifungen zuließ, und einen praktischen Sinn.” In ihrem Haus war “alles so ganz klar und einfach.[…]”[xlii] Einfluß auf den jungen Erzherzog hatte auch Maria Annunziata, die Tochter von Erzherzogin Maria Theresia. Die um 11 Jahre ältere, war zu ihm wie eine große Schwester. Der familiär freundschaftliche Kontakt zur Familie Bourbon–Parma, die in Schloß Schwarzau im Steinfeld lebte, stellte sich über diese beiden Damen her. Denn Herzogin Maria Antonia von Bourbon von Parma war die Schwester von Erzherzogin Maria Theresia.
Das adelige Landleben der Jahrhundertwende spielte sich in der Landschaft zwischen Rax und Schneealpe bis zum Wechsel, der Buckligen Welt und der Oststeiermark ab. Man besuchte einander in den Jagdschlössern Mürzsteg (Kaiser Franz Joseph) und Wartholz (Erzherzoge Karl Ludwig und Otto), in den Villen von Reichenau, von Payerbach und Umgebung, in den Schlössern und Jagdhäusern der Bourbon–Parma (Schwarzau, St.Jakob im Walde), der Braganza (Seebenstein) und der Bourbonen (Frohsdorf). Auch sie lebten in Österreich im Exil.
Cholerisch veranlagt, manchmal aufbrausend, lebhaft und impulsiv, war der nun großjährige Erzherzog Carl einfach, sehr früh selbstdiszipliniert und fromm. Dem Sportlichen werden große Wahrheitsliebe, Gehorsam, Noblesse des Herzens und außerordentliches Mitgefühl für Arme und Leidende bestätigt.[xliii]Die militärischen Qualifikationslisten beschreiben ihn als blond, blauäugig, mit ovalem Gesicht, regelmäßigen Zügen, 1,78 m groß. Er war im Eskadronendienst, dann als Patrouillen- und Zugs–Kommandant “hervorragend ambitioniert”, “initiativ, unternehmend und geschickt”, lebhaft interessiert und besonders eifrig. Ehemalige Offiziere bezeugten sein kameradschaftliches Verhalten, seine Anhänglichkeit an die Truppe und seine hohe moralische Autorität, womit er die Fragwürdigkeiten des Soldatenlebens einschränkte und Entgleisungen verhinderte.[xliv]
Seit 1908 in Altbunzlau stationiert, wohnte der Erzherzog in Schloß Brandeis. Ab 01. November 1909 Rittmeister, kommandierte er jetzt die 5. Eskadron.[xlv] Es war an der Zeit, nach einer passenden Braut Ausschau zu halten. Im Sommer 1910 besuchte er seine Tante Maria Annunziata in Franzensbad. Sie war dort zur Kur, ihre Nichte, Prinzessin Zita von Bourbon von Parma wohnte bei ihr. Zita, Maria delle Grazie, Adelgunde, Michaela, Raphaela, Gabriela, Josephine, Antonie, Luise, Agnes, geboren am 9. Mai 1892 in Pianore (Italien), war das fünfte Kind aus der zweiten Ehe von Herzog Robert von Bourbon–Parma mit Maria Antonia, geb. Prinzessin von Portugal (Braganza). Es war eine große Familie. Aus Herzog Roberts erster Ehe stammten zwölf Kinder, aus seiner zweiten ebenfalls zwölf. Bei ihrer Erziehung legte man Wert auf Sprachen, Rechnen, Schreiben, Religion, gesellschaftliches Verhalten, Musik und Schauspielerisches, weckte ihren Sinn für die Armen und forderte von ihnen soziales Verhalten. Im September 1903 kam Zita, elfjährig, zusammen mit ihrer älteren Schwester Franziska in das Salesianerinnenkonvikt Zangberg in Oberbayern, wo sie bis zum Herbst 1908 verblieb. Die Erziehung war streng. Sehr intelligent, lernte sie leicht und gern und war eine starke kleine Persönlichkeit. In Zangberg pflegte man Sprachen, Geschichte, Kunstgeschichte und Musik, Zita spielte Klavier und Orgel. Ähnlich wie bei Erzherzog Carl war ihre Jugend vom Tod des Vaters (16.11.1907) gezeichnet. Nach einem Aufenthalt in Schwarzau (Herbst 1908–Februar 1909) war sie zur weiteren Erziehung in der Benediktinerinnenabtei S. Cécile (dem zur berühmten Abtei Solesmes gehörigen Frauenkloster) in Ryde (Insel Wight), wo ihre Großmutter mütterlicherseits, Königin Adelheid von Portugal, als Mère Adelaïde lebte. Sie vermittelte der Prinzessin, die auf eine politische Zukunft vorbereitet wurde, jene Perspektive der Welt, die es ihr ermöglichte, ein schweres Schicksal zu meistern. Da Zita das Klima auf Wight nicht vertrug, unterbrach sie ihren Aufenthalt und fuhr mit ihrer Cousine Erzherzogin Maria Annunziata, zur Kur nach Franzensbad. Dort, von Altbunzlau leicht erreichbar, besuchte Erzherzog Carl seine Tante. Nach S. Cécile zurückgekehrt, blieb Zita bis zum Herbst, wenige Wochen nach ihrem Abschied verstarb die Großmutter. Die sorgfältige Ausbildung wurde 1910 in Wien bei Erzherzogin Maria Therese abgeschlossen. Zita nahm Tanzunterricht und bereitete sich auf ihren Eintritt in die Gesellschaft, auf den Hofball von 1911, vor, [xlvi] auf dem sie wieder Erzherzog Carl traf. Dieser Begegnung folgten weitere. Die Entscheidung des Erzherzogs in seiner Wahl fiel während eines achttägigen Aufenthaltes im Mai 1911 in St. Jakob im Walde (Steiermark), wo Erzherzogin Maria Threresia ein Jagdhaus besaß. Sie hatte den Erzherzog zusammen mit ihren Nichten Franziska und Zita hatte zur Auerhahnjagd eingeladen.
Erzherzog Carl und Prinzessin Zita hatten vieles gemeinsam: Frömmigkeit, Pflichtbewußtsein, soziales Empfinden, den Sinn für die Armen, Warmherzigkeit und Humor. Erzherzog Carl verlobte sich mit Prinzessin Zita in Villa Pianore, dem Sommersitz der Familie Bourbon–Parma, am 13. Juni 1911. [xlvii]
Im Gegensatz zu habsburgischen Traditionen des 18. und 19. Jahrhunderts verehrte Erzherzog Carl den Papst. Der Wiener Hof war seit dem frühen 18. Jahrhundert gegenüber Päpsten und Heiligem Stuhl sehr reserviert. Auch Kaiser Franz Joseph I. hielt höfliche Distanz. Erzherzog Carl ersuchte seine Braut, rasch, bevor aus Staatsräson schon irgendwelche Weisungen erlassen werden könnten, Papst Pius X. in Rom zu besuchen und um seinen Segen zur Hochzeit zu bitten. Herzogin Maria Antonia, wie sämtliche Mitglieder der Familien Bourbon–Parma und Braganza außerordentlich papsttreu, ging auf den Wunsch des künftigen Schwiegersohnes ein.
Während Erzherzog Carl bei der Krönung Georgs V. von Großbritannien und Irland in London Kaiser Franz Joseph vertrat,[xlviii] war Prinzessin Zita mit ihrer Mutter in Rom.[xlix] Die Papstaudienz gestaltetet sich für sie sensationell. Als sie dem Papst vorgestellt wurde, bezeichnete Pius X. Erzherzog Carl als künftigen Kaiser von Österreich. Herzogin Maria Antonia und ihre Tochter glaubten an ein Mißverständnis, sie berichtigten den Papst, Erzherzog Franz Ferdinand sei der Thronfolger. Doch Pius X. beharrte, Erzherzog Carl würde “[…]der direkte Nachfolger des Kaisers Franz Joseph[…]” werden. [l]
An dieser Stelle ist nachzutragen, daß schon 1895 während seines Aufenthaltes in Ödenburg die dortige Ursuline Mater Vincentia Fauland, dem Erzherzog ähnliches prophezeit hatte.[li]
Der Einfluß der Jesuiten am Wiener Hof war seit dem späten 18. Jahrhundert allmählich verschwunden. Nun lebte er über die Gattinnen der Thronfolger aus der Linie von Erzherzogs Karl Ludwig, Sophie, Herzogin von Hohenberg und Maria Josepha, Prinzessin von Sachsen, wieder auf.[lii] Der Wiener Jesuitenpater Karl Maria Graf Andlau–ein Jahr später hielt er beim Eucharistischen Kongreß in Wien die große Predigt über “Die heilige Eucharistie und das Haus Habsburg”–bereitete das zur Thronfolge bestimmte Paar, jeden getrennt, auf das Sakrament der Eheschließung vor. Am 21. Oktober 1911, fand in Schloß Schwarzau die Hochzeit von Erzherzog Carl mit Prinzessin Zita statt. Sie war ein glanzvolles gesellschaftliches Ereignis, umrahmt von der patriotischen Huldigung der Bevölkerung Neunkirchens und Payerbach–Reichenaus.[liii] In Schloß Schwarzau begegneten einander Mitglieder europäischer Königsgeschlechter und Fürstenfamilien, im jungen Brautpaar verbanden sich von neuem Habsburger, Bourbon–Parmas, Braganzas und Wettiner. Schon am Vorabend war der päpstliche Delegat Monsignore Gaetano Bisleti, langjähriger geistlicher Freund, in Schwarzau eingetroffen. Zur Hochzeit kamen Kaiser Franz Joseph und der Apostolische Nuntius von Wien, Alessandro Bavona.[liv] Unter den Festgästen fanden sich Familienmitglieder, der Großherzog von Luxemburg, Kronprinz Ruprecht von Bayern, sächsische Prinzen, die Fürsten Thurn–Taxis, Schönborn, Liechtenstein und Schwarzenberg mit ihren Gemahlinnen, Vertreter des Regiments Herzog von Lothringen, in dem der Bräutigam diente, und Hofstaatsmitglieder. Am Vorabend gab Herzogin Maria Antonia ein Familiendinner im Ludwigssaaal, es wurde auf Silber serviert. Bei der Brautsoiree spielte die Militärmusikkapelle des IR Nr. 67 unter der Leitung von Nico Dostal Musik aus Wien und aus den einzelnen Kronländern. Am Hochzeitstag nahmen alle Familienmitglieder um 7 Uhr früh an der heiligen Kommunionmesse teil. Um 11h traf Kaiser Franz Joseph ein, um ½ 12 Uhr fand die Trauung statt..[lv] Der Hochzeitszug repräsentierte die dynastische Verbindung der europäischen Königshäuser.[lvi] Bisleti hielt mit Assistenz von Prinz Dr. theol. Max von Sachsen die Trauung. Er verlas die von Papst Pius X. eigenhändig geschriebene Hochzeitsansprache, in der die Prophezeiung über Erzherzog Carl wiederholt wurde. Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand war Hochzeitsgast. Dazu Erzbischof Waitz: “[…]Franz Ferdinand ließ sich dann diesen Brief selbst zeigen und es stimmte ihn nachdenklich. Ich habe mit Msgr. Bisletti (sic!), der später Kardinal wurde, mehrmals darüber gesprochen, und er hat diese Tatsache bestätigt[…].”[lvii] Das auf die Trauung folgende Hochzeitsdejeuner wurde im Theresiensaal des Schlosses serviert. Man speiste auf goldenen Tellern, Nico Dostal führte mit seiner Militärkapelle zum ersten Mal den < Zita–Walzer > auf.[lviii] Gegen 16 Uhr fuhr das junge Paar mit dem Auto und ohne Gefolge in die Villa Wartholz, er wurde von der Dienerschaft und einer Deputation der Kurorte Payerbach und Reichenau erwartet. Man schoß Böller, abends war Reichenau illuminiert, von den Bergen leuchteten Höhenfeuer.[lix]In den Tagen darauf wallfahrtete die Neuvermählten nach Mariazell, dann unternahmen sie eine längere Reise durch die Länder der Monarchie, schließlich gingen sie nach Brandeis.[lx]
Nach einem halben Jahr wurde der Erzherzog nach Galizien abkommandiert. Im Sommer 1912 stürzte er während der Manöver bei Lemberg bei der Generalattacke der Kavallerietruppendivision im überfluteten Terrain vom Pferde. Trotz erlittener Gehirnerschütterung reiste er mit seiner Gemahlin zum Eucharistischen Kongreß nach Wien (12.–15. September 1912).[lxi]
Verschiedene Kommandanten attestierten dem Erzherzog hohes militärisches Talent, außerordentliches Pflichtbewußtsein und hervorragenden Einfluß auf die Truppe. Seine Qualifikation, mit jenen anderer Erzherzöge verglichen, dokumentiert die Objektivität der Kommandanten in der k.u.k. Armee. Sie beschrieben im allgemeinen ohne zu beschönigen. [lxii] Seit 1913 war der Erzherzog, damals Major und Bataillionskommandant im Infanterieregiment Nr. 39 “Frh Conrad von Hötzendorf”, Automobilfahrer.[lxiii]Die Generalstabsprüfung schloß seine militärische Ausbildung ab,[lxiv] mit 01. November 1912 war er in die Wiener Stiftskaserne versetzt.[lxv]
Vor der Geburt des ersten Kindes übersiedelten Erzherzog Carl und Erzherzogin Zita nach Schloß Hetzendorf, dem ihnen von Kaiser Franz Joseph zugewiesenen Wohnsitz. Am 20.November kam der Kronprinz, Erzherzog Otto, in der Villa Wartholz zur Welt, am 25. November 1912 wurde er getauft. [lxvi]
Der Mord von Sarajewo bestätigte die Prophezeiung Pius X. Erzherzog Carl war nun Thronfolger. Als er am 21. Juli 1914 zum Oberst im Husarenregiment Nr.1 außerordentlich befördert wurde,[lxvii] Conrad von Hötzendorf aber seinen Fronteinsatz ablehnte, befahl ihm der Kaiser , zum Armeeoberkommando abzugehen und die praktische Generalstabsausbildung zu absolvieren.
Der Konflikt Conrads mit Erzherzog Carl entwickelte sich unspektakulär. Der Chef des Generalstabs arbeitete vollkommen selbständig, hielt seine Pläne geheim, informierte den Armeeoberkommandanten, Erzherzog Friedrich, nur verdeckt und sporadisch, die Militärkanzlei Seiner Majestät und den Kaiser selbst undurchsichtig. Den Thronfolger ignorierte er.[lxviii] Conrads Strategie der Offensive hatte bis Ende 1914 189.000 Soldaten und Offizieren das Leben gekostet.[lxix] Sein System, für alles und jedes die Generäle verantwortlich zu machen, sie zur Rechenschaft zu ziehen, abzusetzen oder zu versetzen, sorgte bereits in den ersten Monaten des Weltkrieges für Turbulenzen. Erzherzog Franz Ferdinand war Conrad Herr geworden.[lxx] Nun lebte an der Seite des Armeeoberkommandanten der Thronfolger Erzherzog Carl. Conrad vermied dessen praktische Generalstabsausbildung, übertrug ihm keine Aufgaben und keine führende Rolle : “[…]er war nur Zuseher, wie es S.M. Kaiser Franz Joseph mit den Worten “<damit er etwas lerne> befohlen hatte.[…]”[lxxi]Der intelligente und kritische Erzherzog war unbequem, er stand Conrad im Weg und sollte keinen genauen Einblick erhalten. Aber auch der Außenminister Baron Burián lehnte den Wunsch des Thronfolgers, in diplomatische Friedensbemühungen mit Italien und Rumänien einbezogen zu werden, ab.[lxxii] Ausschließlich mit Personalfragen befaßt, hatte er dem Kaiser Bericht zu erstatten. Erzherzog Carl verhielt sich abwartend. Er beobachtete nüchtern, exakt, loyal, arglos und nicht feindselig, schilderte Conrad als genial, die Truppen überfordernd, aufbrausend, ungeduldig und ohne Menschenkenntnis. Der “Chef” hätte von Kommißdienst keine Ahnung, regiere vom grünen Tisch, ohne die konkrete Situation an den Fronten zu kennen. Seine Fehlplanungen kosteten vielen das Leben.[lxxiii] Conrad war unreligiös , erfüllt von einer menschenverachtenden Pflichtethik. Seinem einfachen Wesen entgegengesetzt, lebte er mitten im Krieg in höfischem Stil, unvorbidlich.[lxxiv]Damals strebte seine Beziehung zu Gina Reinighaus dem Höhepunkt zu. Die Dame, Mutter von sechs Kindern, wurde von ihrem Gatten geschieden. Ihre Romanze mit Conrad, 1915 von der Ziviltrauung legalisiert, war vielen, nicht nur dem Thronfolger, ein Ärgernis.[lxxv]
Erzherzog Carl teilte dem Kaiser seine Eindrücke mit[lxxvi] und versuchte, ihn zu motivieren, das Armeeoberkommando selbst zu führen. Denn Erzherzog Friedrich war neben Conrad “die reinste Puppe”. Der Thronfolger schlug vor, Erzherzog Friedrich und Conrad zu ersetzen,[lxxvii] wozu sich Franz Joseph nicht entschließen konnte. In der Hocharistokratie äußerte man sich über Erzherzog Carl beinahe ablehnend, disqualifizierte ihn und stellte ihn als zu weich hin, “[…]von Erzherzog Franz Ferdinand von allem abseits gehalten, habe er sich nur um seinen militärischen Dienst kümmern dürfen […].” Daher fehle ihm jede Kenntnis der Staatsgeschäfte, im Falle eines Ministerwechsels wüßte er nicht, was zu tun wäre.[lxxviii]
Um die Zeit beim Armeeoberkommando sinnvoll zu verwenden, übernahm Erzherzog Carl Truppeninspektionen und Dekorationen der Mannschaften. Er erwies sich als sehr mutig und kaltblütig und scheute nicht die vordersten Linien.[lxxix] Schließlich hatte Conrad die kritische Berichterstattung des Thronfolgers satt.”[…]Im Frühling 1915 wurde Kaiser Franz Joseph vorgestellt, daß er bejahrt sei[…].Es wurde suggeriert, der Kaiser möge [den Thronfolger] nach Wien nehmen und[…]in die Regierungsgeschäfte einweihen.[…]” Kaiser Franz Joseph richtete nun für Erzherzog Carl Einführungen durch Sektionschefs und Beamte verschiedener Ministerien ein. Außerdem sollte der Thronfolger “[…]jeden Morgen zu ihm kommen, damit er in der Lage sei, alle Fragen mit ihm zu besprechen. […][lxxx]”In Bälde jedoch bemerkte diese Gruppe Mißgünstiger, daß ihr Plan sich anders ausgewirkt hatte, als sie dachte. Erzherzog Carl war bald gründlich informiert, und machte Kaiser Franz Joseph auf verschiedene Mißstände aufmerksam. “[…]So sollte er auch von hier wieder weg.[…]”[lxxxi]
Erzherzog Friedrich hatte am 16. August 1915 beantragt, Erzherzog Carl zum Kommandanten des 18. Korps zu ernennen, was der Kaiser ablehnte. Marterer, das Spiel durchschauend, notierte, der Antrag sei nur eingebracht worden, “[…]um den Erzherzog irgendwo festzulegen, wo er die Tätigkeit des Armeeoberkommandanten weniger beobachten und auch in Wien keinen Einblick gewinnen könne[…].”[lxxxii] Im Februar 1916 kam es dann in Teschen zur Konfrontation mit Conrad. Kaiser Franz Joseph hatte diesmal einer Korpsverleihung zugestimmt und entschieden, daß der Thronfolger an die Südtirolfront ging[lxxxiii]. Conrad war dagegen und wollte sich nur dem ausdrücklichen Befehl Seiner Majestät fügen.[lxxxiv] Joseph Metzger, des Chef der Operationsabteilung, bewegte den Generalstabschef dann zum Einlenken, der Thronfolger erhielt das gewünschte Kommando.[lxxxv]
Kurz danach wurde Graf Leopold Berchtold sein Obersthofmeister (23.März 1916 ).[lxxxvi] und politischer Gesprächspartner, der ihn in die Außenpolitik einführte und beriet. Damals holte er sich der Thronfolger bereits jene Offiziere in seinen Stab, die ihm die Treue über den Tod hinaus hielten: Oberst Alfred von Waldstätten als Generalstabschef, Rittmeister Graf Joseph Hunyady als Ordonnanzoffizier, Hauptmann Karl Ottrubay als Generalstabsoffizier aus der Militärkanzlei Franz Josephs, den Flügeladjutanten Rudolf Brougier und Hauptmann Karl Werkmann, später Chef seiner Presseabteilung.[lxxxvii]
Die Südtiroloffensive sollte am 01. April 1916 beginnen. Conrad hielt sein Kriegsprogramm lange geheim und stellte sich vor, die Italiener in einer Zangenbewegung in der venetianischen Ebene von Südtirol und vom Isonzo aus einzuschließen und so den Krieg gegen Italien zu entscheiden. Er kannte das Terrain aus der Friedenszeit. Die Überprüfung seiner Strategie vor Ort hatte nicht stattgefunden, die Vorschläge von Kennern der Landschaft blieben unberücksichtigt. Das Wetter spielte nicht mit. Es schneite, meterhohe Schneewächten hinderten den Aufmarsch.[lxxxviii]
Erzherzog Carl, dessen XX. Korps (bestehend aus 4 Regimentern Kaiserjäger und 4 Infanterieregimentern, je 1 oberösterreichisches, salzburgisches, rumänisches und tschechisches) zur 11. Armee gehörte, kritisierte die praxisfremden Befehle.[lxxxix] Die Operation sei zu früh angesetzt worden. Trotzdem sollte man jetzt, da der Gegner noch unsicher war, gegen alle Schwierigkeiten losgehen. Das Armeeoberkommando wollte zuwarten und verspielte den Überraschungseffekt. Die Italiener konnten umdisponieren. Die Artillerieaufstellung widersprach den Plänen für die Infanterie. Das Armeeoberkommando veränderte das ursprüngliche Konzept von General Krauß–das Nebeneinander–Vorgehen der beiden Armeen–in einen Angriff von zwei Armeen hintereinander.[xc]Der Thronfolger kritisierte seine Bevorzugung gegenüber dem VIII. Korps. Er wollte den Pasubio, der von allen ortskundigen Offizieren als uneinnehmbare Festung bezeichnet wurde, umgehen, um Menschenleben zu erhalten. In der Militärkanzlei S.M. legte man auch diesen Vorschlag wie alle seiner Berichte zu den Akten.[xci]
Als der Angriff am 15. Mai begann, führte Erzherzog Carl mutig, vorbildlich, ohne sich zu schonen. Erzherzog Eugen, der Kommandant der Südfront, hatte das gründlich koordinierte Zusammenwirken von Artillerie und Infanterie befohlen, geringe Verluste als Zeichen guter Führung hervorgehoben; der Thronfolger hatte für sein Korps diese Order verstärkt.”[…]Jeder Kommandant, der ohne triftigen Grund zu große Verluste hat, wird von mir unnachsichtig zur Verantwortung gezogen. Der Elan und der Offensivgeist unserer herrlichen Truppen ist ein so großer und die Wut gegen den tückischen Erbfeind eine so gesteigerte, daß von der Führung aus unbedingt darauf hingewirkt werden muß, daß die Truppe nicht selbst durch unaufhaltsames Vorwärtsstürmen schwere Verluste erleidet[…].”[xcii]Nach hervorragenden Anfangserfolgen kam der Angriff vor dem letzten Höhenzug in der Linie Pasubio–Arsiero–Asiago–Monte Meletta zum Stehen. Conrads Pläne mißachteten die felsige Landschaft mit steilen Höhen, tief eingeschnittenen Tälern und unzugänglichen Felswänden, die er als Hochplateau im Kopf hatte. Die Kämme der Berge waren in italienischer Hand.[xciii]Noch heute kritisieren Militärhistoriker den Thronfolger, daß er am 27. Mai 1916 vor Asiago, wegen des scharfen italienischen Artilleriefeuers vor dem Einsatz der Infanterie die eigenen Artillerie abwartete.[xciv] Der Durchstoß mißlang, es konnte keine Straße in die Ebene gewonnen werden. Die Offensive kam zum Stillstand.
Auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatz hatte die russische Brusilow–Offensive mit dem Echec von Luck (8–16.Juni 1916), die militärische Planung des AOK verändert.[xcv] Die Bedingung für deutsche Militärhilfe im Osten war die Aufstellung einer gemischten Armee unter dem Kommando des Thronfolgers mit einem deutschen Generalstabschef an dessen Seite. Kaiser Franz Joseph mußte diesem Vorschlag zustimmen. Am 01. Juli 1916 wurde Erzherzog Carl aus Südtirol abberufen. Im nächsten Halbjahr kämpfte er an den Fronten gegen Rußland und Rumänien in Galizien und Siebenbürgen. Er wehrte sich gegen die Versuche der DOHL, ihn in ihre militärisch–politische Konzeption zu integrieren.[xcvi]
Die “Rangtour” des Thronfolgers war klar auf die Übernahme des AOK orientiert: vom Oberst bei Kriegsbeginn (21.07.1914), Oberstinhaber des Regiments Nr. 19 und Linienschiffskapitän (03.10. 1914) verlief sie über den Generalmajor und Kontreadmiral (14.07.1915 mit gleichzeitiger Enthebung vom AOK) zum Feldmarschalleutnant und Vizeadmiral als Kommandant des XX. Korps (12.03.1916). Am 01.08.1916 wurde Erzherzog Carl General der Kavallerie und Admiral, am 01.11.1916 Generaloberst und Großadmiral.[xcvii] Diesen militärischen Stationen entsprach auch die Dekoration mit den in- und ausländischen Orden, deren erster der Orden vom Goldenen Vlies war. Der Erzherzog hatte ihn am Anfang seiner militärischen Ausbildung erhalten.[xcviii] Nun war er nach dem Tode Kaiser Franz Josephs dessen Großmeister.
[hide-this-part morelink=”Fußnoten anzeigen”]
- Dazu AZ Nr. 328, 1-2: 1916 November 26. Vom Wechsel des Herrscherberufes.”[…] In einem Reiche, wie es die habsburgische Monarchie ist, in dem Reiche von zwei (oder sogar drei) Staaten und vielen Nationen fällt natürlich dem Monarchen eine besondere Aufgabe zu: in der Wirrsal der Dinge, die gegeneinander sich kehren und stellen, die letzte Einheit darzustellen und zu behaupten. Das ist nun eine Aufgabe, die nur durch eine nie aussetzende Beharrlichkeit, durch kluge Anpassung, durch stetes Vermitteln zu leisten ist, welche Leistung sodann den Begriff der monarchischen Tugenden ist.[…]Seine Herrscherweisheit betätigt der Monarch heute ganz einheitlich in der Wahl seiner Ratgeber; freilich auch da nur, wo das parlamentarische Regime ihn an der Wahl nicht hindert. Wir nennen den Monarchen weise, der die richtigen Männer an die richtige Stelle setzt, und halten dessen Herrschen als verfehlt, wenn er aus Vorurteil oder Bequemlichkeit die Untüchtigen und Talentlosen bevorzugt. Der natürliche Vorgang wäre auch hier, daß der Mechanismus der politischen Gestaltung die Auslese der Tüchtigen und Berufenen vollzieht, daß die staatliche Entwicklung gleichsam die Männer hervorbringt, die der Staat zu seinem Leben und Fortschreiten braucht […] Erschaffer und Schöpfer der Staaten sind die Monarchen nimmer, und Größe können sie nur erringen, indem sie erkennen, daß sie der ersten Diener des Staates zu sein haben.[…]”
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