Kaiser und König Karl von Österreich im Licht von Antipropaganda und historischer Forschung

(Vortrag vor Akademischem Bund und Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände, Wien, 1. April 2005, 19.30 Uhr, Str. Augustin)

Wenige Wochen nach dem Tod Kaiser Karls schrieb Kaiserin Zita an den letzten

königlich ungarischen Außenminister, Dr. Gustav Gratz:

“[…]Es ist selten ein Herrscher so verkannt worden, wie dies beim König der fall war und es gibt wohl kaum einen, der wie er alles besaß, um seine Völker glücklich zu machen. Undank, Verleumdung und schwere Kränkungen waren sein Los, denen schließlich sein edles Herz nicht mehr standhalten konnte.

Die Schüsse von Budaörs und nicht die Hitze von Madeira waren seine wirkliche Todesursache. Sein Mut jedoch war ungebrochen und sein Vertrauen in die Zukunft seiner Länder verließ ihn auch im Tode nicht. <Ich muß so viel leiden, damit meine Völker sich wieder zusammenfinden>, sagte er mir in der Agonie. Dann fügte er wörtlich hinzu: <Ich verzeihe ihnen!>[…]”

Blättert man in den Zeitungsberichten von Ende September 2004 oder lässt man die Fernsehreportagen anlässlich der Beatifikation von Kaiser und König Karl Revue passieren, bestätigt sich die Feststellung von Kaiserin Zita aus dem Jahr 1922. Es scheint, als hätte sich gar nichts geändert und der Topos der antihabsburgischen Propaganda, der seit 1918 zäh existiert und wirksam ist, feierte fröhliche Urstände.

Man nahm von den neuen Forschungen, die unmittelbar vor der Beatifikation erschienen waren, bewusst keine Notiz und drängte sie, unfähig zur Unterscheidung des Gestern vom Heute und zu einer gewissen Vergangenheitsbewältigung nicht disponiert, an den Rand der Berichterstattung. Die Seligsprechung wurde als Wiederbelebung der monarchistischen Idee und Staatsform, als Kompensation für politisches Scheitern und Machtverlust ähnlich einem Pamphlet von 1938 hingestellt. Man tolerierte gönnerhaft die bescheidenen und nicht relevanten Schriften über Kaiser Karl und machte die Seligsprechung mit dem Dictum vom „Krampfadernheiligen“ lächerlich. Die Begründung des Postulators, die der Papst mit der Beatifikation des Kaisers beantwortete, wurde weder von den die österreichischen Bischöfen noch von der innerkirchlichen Presse publiziert, man quittiert sie mit Schweigen.

Die Situation der historischen Forschung ist bis zu Beginn des Beatifikationsprozesses bestimmt durch sowohl fehlendes wie auch durch zu umfangreiches, nicht zu bewältigendes historisches Material. Darüber hinaus identifizierte man in der Kriegsschulddiskussion nach 1918, die Thematik von Land und Herrschaft, mit der Geschichte des Ersten Weltkriegs, auf die sich das damalige Interesse konzentrierte. Es gab keine Papiere des aus dem Land verwiesenen, dethronisierten Kaisers, viele Staatspapiere waren und sind bis heute in Privatnachlässen geborgen, verschiedene wurden skartiert oder deportiert. Eine darstellende Zusammenschau von Kriegsgeschichte, Innen- und Außenpolitik, von Österreich und den Kronländern war infolge der politischen Situation nicht möglich, es gab auch keine Perspektive aus der Sicht der Gegner.

1986/87 führte die Wiederaufnahme des seit 1952 laufenden Verfahrens durch die römische Heiligsprechungskongregation zur Bildung einer internationalen Historikerkommission. Sie sollte die Stagnation in der biographischen Forschung zu Karl von Österreich überwinden und diese mit neuem Material korrigieren. Denn die von acht internationalen kirchlichen Gerichtshöfen erstellten Zeugenprotokolle hatten das bis dahin von Forschung und Popularwissenschaft tradierte Kaiserbild in vielen Details als verfälscht und als unwahr entlarvt. Meinen Eintritt in die Historikerkommission knüpfte ich an die  Bedingung, neue Forschungen machen zu können. Nach Untersuchungen zur Beziehung von Kaiser Karl und der röm.-kath. Kirche (Papst, Bischöfe, Nuntien, 1986- 1990), und nach Abschluss von Gutachten zum Quellenwert von Zeugenaussagen wie zu den Dokumenten des Schriftenprozesses konnte ich das dafür gesammelte große wissenschaftliche Material durch neue internationale Archivforschungen ergänzen, die meine 1990 abgegebenen Gutachten bestätigten. Ich publizierte dieses Material im Band 2 meines im Herbst 2004 erschienen Werkes„ Untergang oder Rettung der Donaumonarchie? “ unter dem Titel:“ Politische Dokumente zu Kaiser und König Karl von Österreich“.

Ein grundlegendes Ergebnisdieser neuen Forschungen ist die Erkenntnis, dass die Überlieferung von Persönlichkeit, Regierung und Politik Kaiser Karls von der Antipropaganda bestimmt, verfärbt war und es bis heute noch ist.

1916 setzte gegen Ehn Zita und ihre Brüder sowie gegen die Familie Bourbon – Parma seitens der gegnerischen Northcliffe – Presse die Antipropaganda ein.

Im Frühling 1918 (2 Hälfte April – Juni) richtete sich dann eine sehr wirksame Propagandawelle gegen das  bis dahin außerordentlich populäre Kaiserpaar. Man suchte die Identifikationsfiguren des Habsburgerreiches zu zerstören. Der propagandistische Toposwar die moralisch – menschliche und politische Disqualifikation der österreichischen Identifikationsfiguren –  edin Topos, den noch heute die Geheimdienste der USA in den verschiedensten Regionen der Welt anwenden, um Revolution von oben zu inszenieren und Regierung und Volk voneinander zu trennen. Der Propagandakrieg in Österreich-Ungarn startete an drei Fronten: Der deutsche Bundesgenosse plante, um nicht den Krieg zu verlieren und sein eigenes Mitteleuropakonzept umsetzen zu können, den Anschluss Österreichs an Deutschland.Deutsche Offiziere übertrugendie Mundpropagandain die österreichische. Armee; ähnlich agitierte der deutsche Botschafter in Wien, Botho Gf Wedel, wie die deutsche Schwerindustrie. Sie kaufte österreichische Zeitungen wie den Wienere Mittag und machte Stimmung für den Anschluss Österreichs an Deutschland.

Die Exiltschechen, ihnen voran  Masaryk und Beneš, waren im Bund mit der Feindpropaganda der Entente, sie zielten auf die Zerstörung des multinationalen Habsburgerstaates und planten den tschechoslowakischen Nationalstaat. Zusammen mit den englischen Journalisten Henry Wickham Steed und Robert Seton Watson installierten sie die Antipropaganda an der Süd- und Südostfront vom italienischen Oberkommando in Padua aus, um die slawischen Regimenter zur Desertion zu motivieren. Sie rangen von Schützengraben zu Schützengraben um die Slawen. Man spielte nationale Lieder mit Grammophonen, rief zur Desertion auf, warf slawische Broschüren über die Frontlinien und verbreitete Gerüchte. Von der Wirkung der Antipropaganda hing der Einsatz der amerikanischen Kriegführung gegen Österreich – Ungarn und die politische Anerkennung der nord- und südslawische n Exilregierungen durch die USA ab.

Die dritte Front der Antipropaganda konstituierte der eigene Außenminister Ottokar Czernin im Innern. Er versuchte mit einem Staatsstreich (Sixtus Affäre), den Kaiser zum zeitweiligen Regierungsverzicht zu veranlassen, einen Regenten an seine Stelle zu bekommen und hinter diesem den Anschluss an Deutschland selbst zu vollziehen. Dazu brauchte Czernin die Abwendung der Öffentlichkeit vom Herrscher, den Verlust seiner Popularität. Nach der Sixtusaffäre zirkulierte in der österreichischen Zivilbevölkerung Czernins Mundpropaganda, auf der Straße, in der Tramway, in den Schulen wurden die unsinnigsten Gerüchte kolportiert: Soldaten und Zivilbevölkerung verloren ihr Vertrauen zur Dynastie, der moralisch und politisch disqualifizierende Topos, „ der Kaiser lügt, er ist seiner Frau als Freund von Tänzerinnen untreu und deshalb ihr hörig, ein liebenswürdiger aber dummer Alkoholiker, ungebildet, regierungsunfähig, klerikal, von Beichtvätern und von der Familie Bourbon – Parma abhängig, ein Verräter an den Deutschen,“ griff.

Czernin hatte nach seinem verlorenen Machtkampf die Identitätskrise in der Bevölkerung entfesselt, die, von der Last des Krieges und der militärischen Niederlagen erschöpft, jetzt das negative Kaiserbild aufnahm.

Zwischen Juni und Oktober 1918 entstand im Patriotismus der Österreicher jener Riss, der schon vorher bei Ungarn und Tschechen, dann bei den Polen festzustellen ist, die Bevölkerung wandte sich von dynastischem Prinzip und Gottesgnadentum den Parolen vom Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Propaganda für die Staatsform der Republik zu. Letzte Korrekturversuche der österreichischen Bischöfe durch ihren Hirtenbrief vom August 1918 misslangen, ihre eigenen Zukunftsperspektiven waren damals schon sehr skeptisch.

Im Herbst 1918 zeigte sich die Wirkung der seit dem Regierungsbeginn Kaiser Karls stattfindenden Diskussion vom Selbstbestimmungsrecht der Völker und über die Qualität des Königtums von Gottes oder von Volkes (= Parlaments) Gnaden. Der verlorene Krieg, der Zusammenbruch Bulgariens und der Türkei, die Loslösung von Tschechen, Polen, Ungarn und Südslawen aus dem jahrhundertealten gemeinsamen Reich sowie die Politik der USA für Europa akzeleriert die habsburgische Antipropaganda. Wilson akzeptiert jetzt in Sorge vor der Ausbreitung des Bolschewismus in Ost- und Mitteleuropa den Rat des state departements, gemeinsame Sache mit den gemäßigten Sozialdemokraten zu machen, um den Bolschewismus zu stoppen. Das betraf auch die deutschösterreichische Sozialdemokraten, die bis dahin äußerlich angepasst, schon lang von Österreich als“ dem Kadaver, der seine Leichenflecken zeigt“, sprachen und sich kaum patriotisch verhielten. Das Telegramm Wilsons an Seitz vom 8. November 1918 veränderte ihre die Haltung. Die Sozialdemokraten begannen in der Arbeiterzeitung die antihabsburgische Hetze und Propaganda. Angeführt t von Otto Bauer forderten sie den Anschluss Deutschösterreichs an Deutschland, hauptsächlich um eine habsburgische Restauration, für die das Bürgertum empfänglich war, zu verhindern. Sie vernichteten die  Popularität Kaiser Karls total, und machten ihn und die Dynastie für den Krieg verantwortlich.

Mit dem  Einsetzen der Kriegsschulddiskussion und dem Erscheinen der Memoirenliteratur von 1919, mit der Ausreise des Kaisers in das Schweizer Asyl intensivierte sich die deutsche Anschlusspropaganda und beeinflusste die Memoirenliteratur. Dazu sind die Bücher von Cramon, Conrad  und Karl F. Nowak, der Weg in die Katastrophe, sowie die Broschüre von August Demblin, Czernin und die Sixtusaffäre, zu nennen.

Während der Restaurationsversuche von 1921 erhielt die Antipropagandaneue Facetten: unfundiert und falsch wurde der „wortbrüchige Kaiser“ gegenüber der Schweiz angeprangert, sein Katholizismus und Auferstehungsglaube lächerlich gemacht.  Die Czerninpropaganda von 1918 verstärkend, stellte man den Kaiser als charakterlos, sein Ehrenwort, in der Schweiz keine politische Tätigkeit auszuüben, brechend, hin. Auch Horthy strapazierte dieses Klischee nach dem ersten Restaurationsversuch gegenüber den Ententediplomaten in Budapest.

Der 1. April 1922 brachte eine Zäsur in der Überlieferung. DieBetroffenheit über den plötzlichen und raschen Tod des jungen Monarchen in Madeira und die Besinnung auf die Verluste des zerbrochenen Reiches wie die allgemeine Kriegsschulddiskussion ließen nun die Verteidiger des Kaisers zur Feder greifen. Sein Sekretär und ehemaliger Pressechef Karl Werkmann, der ungarische Legationsrat Aladar von Boroviczényi und der einstige Kabinettschef Arthur Graf Polzer – Hoditz brachten als Augenzeugen die innerhabsburgische Überlieferung von der Person und Politik Kaiser Karls an die Öffentlichkeit. Ihnen folgten im Kontakt mit Kaiserin Zita und Erzherzog Otto dann Karl Zessner –Spitzenberg und Erich Thanner, weiterführende Versuche in dieser Richtung unternahmen Emilie Gehrig, Erich Feigl und Tamara Griesser – Pecar

Mit dem Generalstabswerk Österreich – Ungarns letzter Krieg Band  I-VII, das im Wiener Kriegsarchiv von einem Team ehemaliger Generalstabsoffiziere erarbeitet wurde, setzte um 1930 die wissenschaftliche Aufarbeitung des Ersten Weltkrieges ein. Die Autoren wollten die k. u. k. Armee im Gedächtnis der Nachkommen retten und verteidigen, angesichts der Schmach der Friedensverträge ihre Größe und Bedeutung überliefern. Dabei wurde diverses übergangen, cachiert oder zwischen den Zeilen gesagt. Nachdem es keine Papiere des Kaisers gab, sprach man auch wenig von und über ihn, blieb in Distanz und enthielt sich der Kritik. Edmund Glaise – Horstenau gehörte zu dem Autorenteam von  Österreich – Ungarns letzter Krieg. Sein Versuch, Der Weg in die Katastrophe, zeigt ohne Anmerkungen nicht nur den Krieg sondern auch die internationale Politik ähnlich wie im Generalstabswerk auf und versucht, die Gegenüberseite zu beleuchten. Dabei wurden auch hier meistens Kaiser Karl und seine Politik ausgeklammert. Das in den 90er Jahren von Manfried Rauchensteiner herausgegebene Buch, Der Tod des Doppeladlers,  baut auf Österreich – Ungarns letzter Krieg auf. Rauchensteiner rezipierte die Studien Plaschkas und seines Teams zum Nationalitätenproblem innerhalb der k. u. k. Armee und andere nationale und internationale Detailstudien, ohne eine grundlegend neue Sicht des Ersten Weltkriegs zu bieten. Seine Darstellung und Beurteilung Kaiser Karls entspricht dem Bild von Antipropaganda und Pamphletenliteratur.

Die schwerste Verunstaltung des Kaiserbildes erfolgte 1938-1945: man verbreitete  den alten Topos vom unfähigen Monarchen, der sich  durch den Verrat am deutschen Bündnis für alle Zeiten vor der Geschichte moralisch und politisch disqualifizierte. Als Beispiel sei erwähnt: Kunz Iring, Vom Verräter zum Heiligen. Der Verrat Karls des Letzten am Bundesgenossen, Ludendorff Verlag , München 1938. In diesem Pamphlet ist auch atmosphärisch der Anschluss Österreichs an Deutschland vollzogen. Der habsburgische Kaiser hat keine Rechte, er ist durch seine Friedensbemühungen über Prinz Sixtus und Papst Benedikt XV. der Verräter am deutschen Waffenbund, er bricht seinen Fahneneid und begeht damit das für einen Soldaten unverzeihlichste Verbrechen! Verursacht von der gänzlichen Abhängigkeit von seiner bourbonischen Frau und von den römisch orientierten Beichtvätern, von politisierenden Geistlichen und dem Papst. Der Schlusssatz ist pointiert:

„ Klar muss es den lebenden und auch den kommenden Deutschen sein, dass  Karl der Letzte ein Verräter am Bundesgenossen war und damit an unserem Volk! Kein Deutscher Mensch kann also ein Verständnis dafür haben, wenn man versucht, aus dem Verräter am Bundesgenossen etwa gar einen – Heiligen zu machen.“[ii]

Nach dem zweiten Weltkrieg suchte der Wiener Professor Reinhard Lorenz 1956- 1958 den neuen Ansatz für eine wissenschaftliche Biographie Kaiser Karls. Reserviert gegenüber innerhabsburgischer Tradition wollte Lorenz zwar die Wahrheit über den Untergang Österreich – Ungarns herausfinden und ein objektives, jedoch kein  dynastisch überliefertes Kaiserbild rekonstruieren. Lorenz hatte kaum archivarische Quellen und stützte sich auf Zeitungsberichte, wie auf seine große Kenntnis der österreichischen Geschichte, er half sich mit Deduktionen und Vergleichen über seine Lücken, hielt das Kaiserbild der Antipropaganda für wahr (naiv, frömmelnd, liebenswürdig, unfähig, von Beichtvätern und Klerus abhängig, Zita hörig), distanzierte sich jedoch von den moralischen Auswüchsen des Verräters, Ehebrechers und Alkoholikers. Lorenz versprach nach Erscheinen des Werkes eine Broschüre mit Anmerkungen, die jedoch niemals erschien. Nach diesem Muster versuchte sich der Wiener Kriegshistoriker Peter Broucek in den letzten Jahren in biographischen Darstellungen über Kaiser Karl, ohne Studien mit neuen Erkenntnissen und mit Anmerkungen begründet, vorzulegen.

In der letzten Phase des Beatifikationsprozesses, erfolgte zwischen 1986 und 1990 die penible und exakte historiographische Überprüfung des Prozessmaterials, die Verifizierung der 78 Zeugenaussagen und der im Schriftenprozess vorgelegten Dokumente, womit diegroße Rechtfertigung und Bestätigung der habsburgischen Überlieferung einsetzte. Als Mitglied dieser Kommission, hatte ich die Möglichkeit, das exklusive, bis dahin in seinem vollen Ausmaß kaum bekannte historische Material kennen zu lernen und es wissenschaftlich benützen zu können. Meine Mitarbeiter, der Jesuitenprofessor P. Paolo Arató von der Gregoriana in Rom, Dr. Franz Pichorner, Dr. Lotte Wewalka verifizierten mit mir die vorliegenden  Dokumente, ergänzten und kommentierten sie mit Gegenstücken aus internationalen Archiven Europas und der USA. Bei dieser großen, unbekannten und sehr interessanten Materialsammlung handelte es sich um politische und persönliche Briefe des Kaisers, um seine Tagebücher, um politische Weisungen, Reflexionen und Memoranden. Wir fanden seine Korrespondenz mit Papst Benedikt XV., Zeugnisse päpstlicher und kaiserlicher Sondermissionen, einschlägige Nuntiatur – und Gesandtenberichte, Gesetzestexte, wichtige Freimaurerdrucke, Bulletins, Verträge, Armee – und Flottenbefehle, Gutachten, politische Reden und Nachrufe. Diese große Dokumentensammlung beinhaltet Papiere in sechs verschiedenen europäischen Sprachen, historisch – kritisch bearbeitet lag sie bereits 1995 vor. Erstmalig und exklusiv in der österreichischen Geschichtsforschung ist der Nachlass eines Kaisers kombiniert mit offiziellen Dokumenten der Öffentlichkeit in wissenschaftlicher Form zugänglich, womit jetzt die offenen Fragen zu Kaiser Karl geklärt, seine Friedensversuche gemeinsam mit Benedikt XV., Prinz Sixtus von Bourbon – Parma und Präsident Woodrow Wilson sowie seine Politik rekonstruiert werden konnten. Dieser Band enthält auch den Rechenschaftsbericht Kaiser Karls über seine Regierungszeit, seine politischen Konzepte zur Transformation Österreich- Ungarns in eine Donaukonföderation. Es werden Ende und Zerfall des Vielvölkerstaates in Nationalstaaten, die Auflösung der k .u. k. Armee in Nationalarmeen erhellt. Man findet in diesem Band auch neue Dokumente mit Fakten und Perspektiven zu den Restaurationsversuchen wie zur Veränderung des europäischen Mächtesystems und Gleichgewichtes nach dem Ersten Weltkrieg.

Derden Dokumenten vorangestellte erste Band  des Werkes „Die Österreichische Frage. Kaiser und König Karl I (IV.) und die Neuordnung Mitteleuropas (1916–1922)“ enthält die erste wissenschaftlich stichhältige Biographie Karls I. (IV.). Sie gründet sich hauptsächlich auf Dokumente; auf Dokumente des zweiten Bandes, auf sämtliche greifbare internationale Editionen und auf zusätzliche Archivrecherchen. Ich habe versucht, die politischen Konzepte des Kaisers, seine Reaktion auf politische und militärische Ereignisse zu erfassen, seine Entscheidungen und Aktionen im internationalen Zusammenhang mit Strömungen und Bewegungen der Zeit zu studieren, seine Bindung an und seine Abhängigkeit von der multinationalen Bevölkerung der Donaumonarchie zu beleuchten. Das Thema wurde von der subjektiven Traumatisierung wie von der politischen Verhetzung der Besiegten gelöst, auch die Gegner und ihre Standpunkte, unter ihnen solche aus dem eigenen Reich, werden gezeigt.

Es wurde nicht Kriegsgeschichte neu betrieben, wenngleich sie von der Thematik weder ausgeschlossen noch abstrahiert ist. Die militärischen Ereignisse sind auf dem heutigen Forschungsstand präsentiert und mit der Überlieferung des Kaisers ergänzt oder korrigiert. Die österreichisch – ungarische Außenpolitik konnte mit Hilfe internationaler Dokumentenausgaben und zusätzlicher Archivforschungen rekonstruiert werden. Russische Archive wurden nicht konsultiert; die einschlägigen Ereignisse sind im Wesentlichen bekannt.

Die neuenErgebnisse betreffen die Persönlichkeit des Kaisers, seine Regierung, seine Friedenspolitik, die Persönlichkeit und Außenpolitik des Grafen Ottokar Czernin, die deutsche Anschlusspolitik der Jahre 1916-1918, die Sixtusaffäre, die Installierung des Einflusses der USA in Europa, den Propagandakrieg, der die Völker von den Regierungen trennen sollte und die amerikanischen Todesurteile über Österreich. Es werden die Fragen zu Abdankung oder Regierungsverzicht Kaiser Karls geklärt, Das Schweizer Asyl ist nach den vorhandenen Dokumenten und Dossiers des schweizerischen Bundesarchivs aufgearbeitet. Es werden die Pläne des Kaisers zur Transformation Österreich-Ungarns in eine Donaukonföderation skizziert und eine neue Perspektive auf die Restaurationsversuche eröffnet: die Interessen und politischen Aktivitäten der internationalen Freimaurerei zur Zerstörung des Habsburgerreiches sind belegt.

Als vielleicht wichtigstes Ergebnis betrachte ich die Ablösung des Klischees vom schwachen, konzeptlosen, regierungsunfähigen, dummen, verlogenen, Ehrenwort und Ehe brechenden, alkoholischen Kaiser, den die Herrschsucht und geistige Überlegenheit seiner kriegsverräterischen Gemahlin unterdrückt, von dem eigentlichen Bild seiner durchaus imponierenden Persönlichkeit, die das genaue Gegenteil dieser Karikatur war.

Kaiser Karl war nicht dumm, unbegabt, in seiner Ausbildung vernachlässigt, er war kein Lügner, Trinker, Lebemann oder Ehebrecher, er war weder zu weich, schwach, oder politisch unbegabt noch entschlusslos und auch kein Verräter. Er war nach Kaiser Franz Joseph gescheit und voller gutem Willen, ein „offener Kopf“ mit einem fabelhaften Gedächtnis und politischen Zukunftsvisionen, deren Aktualität wir heute erkennen. Problematik und Ohnmacht seiner Herrschaft wurzeln in ungelösten und verdrängten Problemen der Franzisko- Josephinischen Ära, sie liegen außenpolitisch im deutsch-österreichischen Waffenbund während des Ersten Weltkrieges, den der junge Herrscher nicht begonnen sondern ausschließlich geerbt hatte. Die apokalyptische Situation, die Dynamik des Krieges und die von Russen, Exiltschechen und Entente betriebene Antipropaganda beschleunigten das Nationalitätenproblem der slawischen Völker und die Separationstendenzen der Ungarn. Utopischer Imperialismus der deutschen Militärs, die Friedensunwilligkeit der Verantwortlichen in der Entente, sowie die Anschlusspolitik des k .u. k. Außenminister Ottokar Czernin seit dem Herbst 1917, brachten das „alte Haus“ zum Einsturz und vernichteten die Identifikationsfigur des Kaisers und alle seine Friedensbemühungen.

Die Position des Thronfolgers und die Nachfolge Kaiser Franz Josephs hatten in Kaiser Karl die Anlagen zu Gründlichkeit, Realismus und Nüchternheit entfaltet, sie verstärkten sein großes Verantwortungsbewusstsein, das ihn fast erdrückte. Die Krönung zum König von Ungarn, war wohl ein Höhepunkt in seinem Leben.  Er betrachtete sie als kirchliche Bestätigung seiner politischen Berufung. Sie betonte die besondere Beziehung der apostolischen Majestät, zum römischen Papst. Eine Beziehung, die 1911 der Erzherzog mit Papst Pius X. anlässlich seiner Verlobung mit Prinzessin Zita persönlich knüpfte und die er als Kaiser und König entgegen der Tradition der Habsburger seit dem Ende des 18. Jahrhunderts neu gestaltete.  An diesem Krieg sind alle mit schuldig“, schrieb er am 2. Juli1917. [iii]  Die politische Amnestie dieses Tages, sollte beitragen, die Konflikte innerhalb des Habsburgerreiches zu beseitigen. Der Kaiser sah das neue Österreich aus „der sittlichen Einigung der Völker“ hervorgehen: Er war für den internationalen Friedensbund der Völker nach dem Krieg sowie für jede geordnete Abrüstung. Alle Völker müssten sich in einem ganz neuen Sinn für den Frieden der Welt verantwortlich fühlen und ihre inneren Verhältnisse so ordnen, damit kein Staat durch seine inneren Zustände Anlass für einen neuen Krieg würde.

Alle Friedensbemühungen Kaiser Karls, die er beharrlich und unermüdlich bis zum Ende seiner Herrschaft  unternahm, scheiterten. Er musste nolens volens den Diktatfrieden von Brest Litowsk, den die Zentralmächte mit Russland und der Ukraine schlossen, den er innerlich ablehnte, mit unterschreiben. Sein Konzept, zusammen mit Papst Benedikt XV. den allgemeinen Frieden zu vermitteln und sich mit Hilfe der USA bei Friedensverhandlungen vom deutschen Waffenbruder zu trennen, wurde durch die so genannte Sixtusaffäre vom eigenen Außenminister zerstört. Aber auch die dynastische Rivalität von Hohenzollern und Habsburgern sowie die Tendenzen der Freimaurer, die Monarchien zu stürzen, die Völker von ihren Regierenden zu trennen und sie zu Republik und Demokratien zu  führen, vernichteten seit 1917 seine fortgesetzten Anstrengungen. Ein Großteil des österreichischen Hochadels stand nicht mehr hinter ihm und lehnte seine maßvollen Bedingungen zu Gunsten eines von den deutschen Militärs propagierten, sehr utopischen Siegfriedens ab.

Kaiser Karl kannte keine Menschenfurcht, das Urteil der anderen war ihm völlig gleichgültig, nachdem er sich streng und ausschließlich nach seinem persönlichen Gewissen orientierte. Er stellte sich den aus Hunger demonstrierenden Arbeitern während einer Autofahrt von Laxenburg nach Baden, und überwachte selbst die Verteilung von Mehllieferungen am Wiener Ostbahnhof. Seine Gratwanderung zwischen alleinigen Entschlüssen und der pflichtgemäßen Anhörung von Ratgebern durfte schwierig gewesen sein. Prinz Sixtus charakterisierte Kaiser Karl im britischen Außenamt als ganz auf sich allein gestellt, als Autokraten, ohne Ratgeber im Hintergrund, nur im Gespräch mit der Kaiserin, die sehr intelligent wäre.

Es wurde viel von der zauberhaften Liebenswürdigkeit des Kaisers berichtet, man strapazierte seine Güte bis zur Karikatur. Negative Urteile, schlechte Nachrede, Intrigen, Lügen und bewusstes Irreführen, persönlicher Opportunismus, Herrscherallüren, die Unterdrückung der anderen, die Sekkatur der nächsten Umgebung, der Vorzug persönlicher Neigungen gegenüber sachlichen Argumenten gehörten nicht zu seinem Repertoire. Vielfach war es die Rücksicht auf den anderen, die Unmöglichkeit, schlecht von ihm zu denken, keine böse Absichten zu vermuten, so lange an das Gute im Nächsten zu glauben, bis sich nicht das Gegenteil herausstellte, was Kaiser Karl und seinen Unternehmungen überaus schadete. Ich erwähne als Stichwörter nur die Namen, Ottokar Czernin, Nikolaus Horthy und Aristide Briand.

Kaiser Karl verhielt sich anders als Wilhelm II., der sich seine Existenz im holländischen Exil mit der Abdankung erkauft hatte, seinen Kunstbesitz zurückbekam und finanziell sehr gut ausgestattet in Haus Doorn einen schöngeistigen hohenzollerischen Pseudohof hielt. Kaiser Karl lebte in Madeira ohne finanzielle Mittel, erfüllt von seiner Berufung und von Plänen für ein neues Österreich, wofür er alle privaten Ansprüche der Familie zurück stellte und sich bis zum letzten Atemzug opferte. Im Bewusstsein seiner religiösen Berufung wies er jede Zumutung zur Abdankung ab. Kronen waren für ihn nicht käuflich.

Wenn ich in diesem Rahmen versuchen soll, über die Bedeutung Kaiser Karls für das heutige Österreich, für die Dynastie Habsburg und für das  Europa von heute nachzudenken, ist zuerst seine Einstellung zur römischen Kaiserkrone hervorzuheben.

Kaiser Karl hatte eine sehr visionäre Perspektive des Heiligen Römischen Reiches, das 1806 vom  Balkon der Kirche am Hof in Wien als für beendet erklärt worden war. Wie manche Historiker annehmen, wurde diese Krone in das Kaisertum Österreich übertragen, sie existierte neben dem protestantischen Kaisertum des 1871 entstandenen Deutschen Reiches.

Kaiser Karl betrachtete seine Macht und seine Kronen als ihm von Gott übertragen (Gottesgnadentum), das Kaisertum stand für ihn nicht in Konkurrenz zum Papst, er betrachtete es wie sich selbst als der spirituellen Macht des Papstes untergeordnet. Es ist auch die ideelle Rangordnung seiner Machtauffassung hervorzuheben, als Herr und verantwortlicher Diener für das seelische wie materielle Wohl der Völker. Sie, mit denen er durch Thronbesteigung und Krönung jene königliche „marriage mystique“ eingegangen war, hatten in allem den Vorrang vor seinen Ansprüchen und Problemen, wie vor jenen seiner Familie. Kronen waren für ihn nicht käuflich. Es scheint mir diese Amtsauffassung und ihre Verwirklichung als sehr würdiger Abschluss der abendländischen und europäischen Kaisergeschichte wie der habsburgischen Herrschaftsgeschichte. Ich halte auch die Perspektive als befreiend, am Ende des Reiches mitten in der Katastrophe keinen schwächlichen und unfähigen Herrscher zu wissen, sondern einen, der nach allen ihm nur möglichen Versuchen, das zerfallende Reich zu retten, die Situation der Ohnmacht angenommen und sich in der Nachfolge Christi allen verzeihend für die Völker geopfert hat. Das Lebensopfer ist als letztes christliches Mittel für das Heil der Völker zu betrachten, es steht ihm Gegensatz zum heidnischen Herrschermerkmal des Glücks, der Fortuna, die den Herrscher auch verlassen und zum „Monarchen ohne fortune“ degradieren kann.

In seinem Verfassungsentwurf für ein neues Österreich mit dem Vermerk „Streng geheim!“, den er im Dezember 1921 oder Jänner 1922 auf Madeira niederschrieb, führt Kaiser Karl das Konzept der Donaukonföderationzur Überwindung des Nationalitätenproblems im einstigen Österreich-Ungarn aus.

Die Diskussion um ein Großösterreich, um die Vereinigten Staaten von Österreich oder um das österreichische Commonwealth wurzelt in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts; daneben existierten auch deutsche Mitteleuropapläne, die die Einbeziehung Österreich-Ungarns in die deutsche Machtsphäre von „Berlin bis Bagdad“ propagierten und die das deutsche Streben nach dem Anschluss Österreichs motivierten. Kaiser Karl lernte vermutlich erst spät die Pläne Eh Franz Ferdinands kennen. Er startete sein Konzept der Donaukonföderation mit der vielfach missverstandenen Politischen Amnestie vom 2. Juli 1917, die, vor den österreichisch – ungarischen Friedenssondierungen mit Frankreich, England und den USA erlassen, positiv auf die Gegner wirken sollte. Am ausführlichsten wurden in den Gesprächen von Lammasch und Herron in Genf (Österreich – Ungarn und die USA Jänner/Februar 1918) die Konzepte der Donaukonföderation zur Transformation der Habsburgermonarchie in ein mitteleuropäisches Commonwealth erörtert und dann von Czernin in der Sixtus- Affäre blockiert. Einen letzten Versuch startete Kaiser Karl unmittelbar vor dem Zerfall des  Vielvölkerstaates mit dem Völkermanifest vom 16/17.Oktober 1918. Er hoffte im Liquidationsprozess des alten Reiches die Donaukonföderation zu verwirklichen, was bei den Unabhängigkeitsaktionen von Tschechen, Polen, Ungarn und Südslawen nicht mehr durchführbar war. Schließlich entwickelte Kaiser Karl seine Pläne in der Korrespondenz mit Papst Benedikt XV 1919/1920, in Gesprächen mit Frankreich 1920/21 versuchte er die Siegermächte weiterhin für die Donaukonföderation zu interessieren. Benedikt XV. und  Aristide Briand ermutigten ihn mit der Restauration die Verwirklichung seiner Konzepte zu versuchen. Auch in Madeira gab Kaiser Karl nicht auf, wo er die endgültige Neuordnung des alten Österreich – Ungarn skizzierte. Jedes Kronland sollte als Nation seine eigene Staatsform und Regierung ( monarchisch oder republikanisch) wählen können, nur Außenpolitik, Wirtschaft, Militär, Finanzen sollten den Staatenbund unter der Führung der Dynastie mit Hilfe der der Pragmatischen Sanktion zusammenhalten, Wien und Triest als Freistaaten Sonderstatuten bekommen.

Mit diesem  Bollwerk wollte er Europa vor dem Eindringen und vor der Eroberung durch den Kommunismus schützen. Außenpolitisch sah Kaiser Karl ein enges Bündnis mit Frankreich, die Auflösung des deutschen Nationalstaates und die Erneuerung des Heiligen Römischen Reiches in Verbindung mit dem Papst vor.

Ganz der österreichischen Sendung im Kampf gegen den Bolschewismus verpflichtet, unternahm Kaiser Karl seine Restaurationsversuche. Sie scheiterten an Doppelspielen, sowohl eigener „so genannt Getreuer“ als auch französischer Politiker, die nichtöffentlich sondern nur im geheimen hinter ihm standen und an dem zu geringen Misstrauen des Kaisers und Königs in sie. Die Konzepte des Kaisers ließen sich nicht wegen ihrer Unaktualität und Unrichtigkeit, sondern wegen der mangelnden Gefolgschaft der Bevölkerungen, die im Prozess zur Umbildung in die entchristliche Massengesellschaft nicht mehr disponiert waren, einen Herrscher von Gottes Gnaden anzuerkennen und zu ertragen und die sich von der so genannten „marriage mystique“ lossagten.

Die politischen Visionen Kaiser Karls für ein geeintes Mitteleuropa und für ein friedliches Zusammenleben der europäischen Völker haben die Katastrophen des 20. Jahrhunderts überdauert und sind heute aktueller denn je, was dieBegründung des Postulators dokumentiert und worauf die Beatifikation des Kaisers am 3. Oktober 2004 erfolgt ist.Ich möchte sie Ihnen zum Abschlussvorlegen.

Sie zerfällt in einen politischen und einen spirituellen Teil. Die politischen Passagen thematisieren das kaiserliche Mitteleuropakonzept, die Transformation des Habsburgerreiches in eine Donaukonföderation, womit ein europäischer Friedensprozess eingeleitet werden sollte und wofür sich Kaiser Karl als „wahrer Kaiser des Friedens“ in der Nachfolge Christi geopfert hatte. Damit sei er zur Symbolfigur, zum Wappen, für die europäische Einigung worden.

Der zweite, spirituelle Teil basiert auf dem Bild des mittelalterlichen Heiligen Königs, wie es bei der Heiligsprechung des Babenbergers Leopold III.1484 erschien.  Der heilige König ist Friedensfürst, Sohn des heiligen Petrus, Schützer der Witwen und Waisen, Helfer der Armen, Gründer und Stifter von Klöstern. Bei der Heiligsprechung von Thomas Morus wurde dieser Typus des Heiligen Königs vom Mittelalter in die Neuzeit transformiert und spezifiziert und nun auf Kaiser Karl von Österreich angewendet.

Anlage:

Die Botschaft, die der nächste Heiliggesprochene der heutigen Welt anvertraut.

Der Traum des Kaisers Karl um ein Europa der freien Völker, deren antreibender Mittelpunkt die Donaumonarchie hätte sein sollen, wurde nie verwirklicht. Sie löste sich auf, überschwemmt von einer Welle des Nationalismus und der materialistischen Ideologien; die den Höhepunkt des 20. Jahrhunderts bildeten, begleitet von Verleumdungen gegen seine Person, die nicht wenig zu seinem vorzeitigen Tod beigetragen haben.

Es blieben seine tiefen und treffenden Gedanken, es blieben seine langfristigen Pläne, es blieb sein intelligentes Projekt; gerichtet auf das glückliche Zusammenleben der Völker; aber zu mächtige Kräfte, mehr interessiert am Teilen als an der Vereinigung und im Widerstand zu seinen christlichen Grundsätzen ließen all dies versagen. Karl, wahrer Kaiser des Friedens, wäre sicherlich in der Lage gewesen, derartige Projekte zu verwirklichen, aber leider wurde er nicht gehört mit tragischen Folgen für Europa. An Stelle dieses Friedensprozesses, für den er so viel gekämpft hatte, entstanden totalitäre Regime (insbesondere Kommunismus und Nationalsozialismus),die die Vernichtung von Millionen und aber Millionen unschuldiger europäischer Bürger verursachten. Im Hinblick auf diese Tragödien, die sich unverzüglich nach seinem Tod in Europa ereigneten, kann man sehr wohl sagen, dass, wenn sie sich nicht vorher ereignet hatten, dies nur der Tatsache zuzurechnen ist, daß der demnächst Seliggesprochene ihnen durch das Opfer seiner Person am Altar des Friedens zuvorgekommen ist. Nachdem so viele Jahre nach diesen Ereignissen vergangen sind und Emotionen wie scharfe Kämpfe sich gelegt haben, wird die Seligsprechung des letzten Kaisers aus dem Haus Habsburg, das unter seiner Krone so unterschiedliche Bevölkerungen zusammen hielt, sicherlich den Einigungsbemühungen Europas helfen; er selbst ist heute eine Symbolfigur, ein Wappen dieser Einigung, da er gerne das Leben für den Frieden seiner Völker gegeben hat.  Auf der Grundlage dessen, was hier gesagt wurde, gilt auch für ihn, was Papst Johannes Paul II. als Proklamation für den heiligen Thomas Morus als Schützer der Herrscher und Politiker geschrieben hat:

Sein Leben lehrt uns, dass Regieren vor allem die Ausübung von Tugend ist. Gestärkt von diesem moralischen Grundsatz übte er seine öffentliche Tätigkeit  im Dienst der Person, insbesondere der Schwachen und Armen aus, leitete er gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit ausgesprochenem Gleichheitssinn, schützte er die Familie mit unermüdlichem Einsatz und schlug die umfassende Erziehung der Jugend vor. Die tiefe Trennung zu Ehren und Reichtum; die unbeschwerte und gelassene  Bescheidenheit, die ausgeglichene Kenntnis der menschlichen Natur und der Eitelkeit des Erfolgs, die Gewissheit des Urteils, verwurzelt im Glauben, gab ihm diese zuversichtliche innere Kraft, die ihn in den Widrigkeiten und gegenüber dem Tod unterstützte.“ (Apostolische Briefe, 31.10.2000, n. 4)

3. Oktober 2004, Tag der Seligsprechung

Avv. Andrea Ambrosi, Postulator des Verfahrens

 

 

[i] (Kaiserin und Königin Zita von Österreich an den ehemaligen k.k. ungarischen Außenminister Dr. Gustav Gratz, Funchal, Mai 1922.)in: Erwin Matsch, Sechs Außenminister, die aus dem alten Österreich kamen: Archiv für Kulturgeschichte 64 (1982) 186. Zur Diskussion um das Bild des letzten österreichischen Kaisers zuletzt: Joachim Lilla, Das Bild zeitgenössischer Schriftsteller von Kaiser Karl I. von Österreich, König von Ungarn usw.: ÖGL 45 (2001)122-133

[ii]  S.35.

[iii] UR, Nr. 55