KAPITEL XXI – 3. NOVEMBER 1918

Zwischen 28. Oktober 1918 und 12. November 1918 erfüllte sich das Schicksal des Habsburgerreiches: die politische Auflösung Österreich–Ungarns und die Zerstörung des österreichischen Kaisertums. Das römisch–deutsche Kaisertum, jene über tausend Jahre alte Institution, war bis 1806 überregional und übernational zur Ordnung des Reiches nach innen, zu seinem Schutz nach außen verpflichtet. Die habsburgischen Kaiser und Könige, seit 1804 Kaiser von Österreich, betrachteten sich als Erben und Hüter der abendländischen Kaiseridee “von Gottes Gnaden.” Sie bekannten den christlichen dreifaltigen Gott als Ursprung ihrer Macht, und wußten sich ihm allein verantwortlich.
Jetzt sollte die staatliche Neuordnung Zentraleuropas den Doktrinen der abendländischen Aufklärung, den Theorien der Französischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung folgen, Nationalismus, Demokratie, sowie die Ideen Wilsons nach den Prinzipien von Volkssouveränität und Selbstbestimmungsrecht der Völker verwirklichen.
Der Hintergrund, vor dem sich das letzte Stadium Österreich–Ungarns, die “Laizisierung des Reiches,” in rasendem Tempo und unübersichtlicher Gleichzeitigkeit vollzog, war sehr komplex. Bisher in nur wenigen Details erkannt, wird die Tradition von schiefer Optik, von Vor–und Fehlurteilen beherrscht. Kaiser Karl entschloß sich zwei Tage nach dem Waffenstillstandsbefehl (30. Oktober 1918) , die Flotte weder an Italien noch an die Waffenstillstandskommission der Entente auszuliefern. Er versuchte, sie für die geplante Donaukonföderation zu erhalten, Meutereien und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Kontreadmiral Nikolaus(Miklós) von Horthy übergab am 31. Oktober 1918 in Pola die k. u. k. Flotte dem südslawischen Nationalrat; am 1. November wurden die Kriegsschiffe im Golf von Cattaro und in den Flottenstützpunkten Fiume, Triest und Sebenico ausgeliefert.
Die Angst vor der bolschewistischen Revolution ermöglichte den Abzug der intakten deutschen Unterseeboote und die Flottenübergabe unter feierlichen militärischen Zeremonien mit Ehrenbezeugungen, Spiel, Salutschüssen, das Einholen der Fahnen. Horthy hatte davor dem allerhöchsten Kriegsherrn telegraphisch seine Treue bekundet. Der Befehl aus Wien sah die Beurlaubung und Heimkehr aller nicht slawischen Mannschaften vor; der gesamten Stab hatte die Möglichkeit, “[…]auf den Einheiten der Flotte und bei den Behörden nach ordnungsmäßiger Übergabe an den südslawischen Nationalrat weiter dienstleistend zu verbleiben[…].” Das Protokoll fixierte ausdrücklich den Vorbehalt der Eigentumsrechte “[…] der nicht südslawischen Staaten, respektive Nationen der bisher bestandenen österreichisch–ungarischen Monarchie […]”.
Das Donauflotillenkommando hatte der Schiffe der ungarischen Regierung zu übergeben und die nicht ungarischen Mannschaften zu entlassen; Baron Kövess wehrte sich vergeblich. In Wien lief das Gerücht:” Der Kaiser hat die Flotte dem neuen jugoslawischen Staat geschenkt.” Es machte böses Blut.
Die Entente plante, nach dem Waffenstillstandsabschluß mit Österreich–Ungarn Deutschland militärisch vollständig zu zerstören. Der interalliierte Rat diskutierte am 30. Oktober in Versailles das weitere Vorgehen: Man konzipierte einen Aufmarschplan, fixierte Waffenstillstandsbedingungen und drängte Italien zum Abschluß mit Österreich–Ungarn. Italien, das den Sieg von Vittorio Veneto nur der Hilfe von alliierten Truppen und Tschechischen Legionären verdankte, war sehr bedacht, die Situation für die Eroberung von Trient und Südtirol auszunützen. In der Villa Giusti legte man den Parlamentären Bedingungen vor, die einer unbedingten Kapitulation gleichkamen. Es gab nur die Wahl, sie anzunehmen oder den Krieg fortzusetzen.
Nach den Plänen Frankreichs und Englands sollten 30 bis 40 alliierte Divisionen unter dem Kommando von Marschall Foch und dem Oberbefehl des Herzogs von Aosta über Innsbruck und Salzburg gegen Bayern und Sachsen vorgehen. Tschechische Legionäre, nach Böhmen und Galizien verlegt, hätten die Kohlen–und Erdölversorgung zu blockieren und Stützpunkte für den Bombenkrieg gegen Deutschland errichten.
Dagegen zielten Wilson und Lansing auf den Ausbruch der Revolution, sie planten, die deutschen Militärs mit ihren eigenen Soldaten zu stürzen. Noch waren sie sich über die Destruktion Mitteleuropas unklar, Auguren warnten vor dem Bolschewismus.
Italien verzögerte die Waffenstillstandsgespräche, es fürchtete, getäuscht zu werden. Hinter seinem Mißtrauen stand auch die Unsicherheit über den Vertragspartner, nachdem sich die Donaumonarchie selbst auflöste. General Weber, der Leiter der Waffenstillstandskommission, hatte mitgeteilt, daß die Monarchie in ihrer alten Form nicht mehr existiere. Die neu konstituierten Nationalräte im gesamten Staatsverband könnten über das Schicksal der einzelnen Völker selbst entscheiden, den Vertrag ratifizieren.
Die Frage nach der Identität Österreich–Ungarns findet sich auch im Bericht Stovalls aus Bern. Der amerikanische Botschafter beschrieb die Auflösung und Neueinrichtung der Regierungsorgane in der ehemaligen Donaumonarchie. Er betonte, weder Tschechen noch Jugoslawen würden die gemeinsame kaiserliche Regierung anerkennen. “[…]Wenn [das Kabinett] seinen Auftrag abgibt, wird der Kaiser ganz isoliert und in einer praktisch hoffnungslosen Situation sein.[…]” Stovall befürchtete eine rasche Bewegung zum Sozialismus hin, dessen Transformation in den Bolschewismus.”[…] Es gibt einige wenige radikale sozialistische Führer, besonders in Ungarn, aber die Soldaten werden den Kern der bolschewistischen Elemente bilden.[…]” Man war dem Kriegsziel, der Entmachtung und Entthronung des habsburgischen Kaisers, nahe und erkannte jetzt die damit heraufbeschworene bolschewistische Gefahr, die Destruktion Mitteleuropas und des gesamten Kontinents.
Schließlich geschah, was die USA, was Frankreich und England wünschten: zuerst wurde der Waffenstillstand mit Österreich–Ungarn und dann mit Deutschland abgeschlossen. Der totale Krieg gegen Deutschland unterblieb.
Das Chaos der Demobilisierung österreichisch–ungarischer und deutscher Truppen, das Vordringen der Italiener durch das Südtiroler Etschtal hatte die Übermittlung der Waffenstillstandsbedingungen nach Baden und Schönbrunn, wo Kaiser Karl mit seiner Familie residierte, verzögert. Am 1. November leisteten die Ungarn ihren Beitrag zur endgültigen Vernichtung der alten Doppelmonarchie: der neue Kriegsminister Belá Linder befahl alle ungarischen Truppen zurück und forderte den eigenen Waffenstillstand mit der Entente. Das AOK lehnte ab, ignorierte diesen Befehl und hielt ihn zurück. Nach Bekanntwerden der Waffenstillstandsbedingungen wurde die Order weitergegeben, was das Chaos der nach Norden zurückflutenden Truppen, die hungerten, plünderten, Straßen verstopften und Verbindungen unterbrachen, vergrößerte.
Am 2. November stand zur Diskussion, wer den Waffenstillstand zu unterschreiben hätte. Italien und die Entente forderten die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten zu Land, zur See und in der Luft, die vollständige Demobilisierung des österreichisch–ungarischen Heeres, den Rückzug aller Einheiten von den Fronten. Höchstens 20 Divisionen, auf den Stand der Vorkriegszeit herabgesetzt, dürften innerhalb der neuen Grenzen des “österreichisch–ungarischen Gebietes” bleiben. Die Hälfte des gesamten Artilleriematerials mit dazugehöriger Ausrüstung war auszuliefern, das gesamte Kriegsgebiet zu räumen. Die “Associierten Mächte” verlangten Bewegungsfreiheit auf allen Straßen, Eisenbahnen und Flüssen, das Recht, alle strategischen Punkte für militärische Operationen oder für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu besetzen und “Requisition gegen Bezahlung”. Deutsche Truppen, die innerhalb von 15 Tagen weder die Fronten noch das gesamte Territorium Österreich–Ungarns verlassen hätten, wären zu internieren. Die geräumten Gebiete würden von den örtlichen Behörden unter Kontrolle der alliierten und associierten Truppen provisorisch verwaltet. Alle Kriegsgefangenen, internierte und evakuierte Staatsangehörige der Alliierten und die evakuierte Zivilbevölkerung waren ohne Gegenseitigkeit nach Hause zu senden. Nicht transportfähige Kranke und Verwundete müßte das österreichisch–ungarischen Personal weiter versorgen. Der jugoslawische Nationalrat hatte die ehemalige k.u.k. Flotte vor Korfu zu versammeln und den alliierten Streitkräfte zu unterstellen.
Beim Studium der schockierenden Bedingungen überlegte das AOK, den Krieg fortzusetzen, was bei den militärischen Auflösungserscheinungen unmöglich war. Kaiser Karl mußte die Kapitulation aussprechen. Aus seinem Bericht: “[…] Die Waffenstillstandsbedingungen wurden am zweiten [November 1918] bekannt,[…] gleichzeitig wurden die Nationalräte vom Inhalt verständigt und angewiesen, ihre Zustimmung zu geben. Aber die Verbindung mit den außerhalb Wiens befindlichen Nationalräten war unmöglich. Nur der deutschösterreichische war zur Hand, ich beschloß daher, seine Vertreter selbst zu empfangen, um sie […] dazu zu bewegen, in patriotischem Geiste die Verantwortung für den Abschluß des Waffenstillstandes mitzutragen.” Dieser deutschösterreichische Nationalrat hatte am 30. Oktober 1918 nach dem Muster der Tschechoslowakei und Ungarns einen neuen Staat gebildet und ein eigenes Waffenstillstandsgesuch an Wilson geschickt. Er lehnte zwar die Donaukonföderation ab, wahrte aber noch den Schein, sich konform zum kaiserlichen Manifest vom 16.Oktober 1918 zu verhalten. Eine letzte Audienz bei Kaiser Karl blieb ohne Konsens. Als gegen Abend noch ungünstigere Meldungen von der Front kamen, war der Kaiser motiviert, den Waffenstillstand sofort abzuschließen. In Schönbrunn trat ein Kronrat zusammen, bereit, die Verantwortung mit dem Kaiser zu teilen. Der Kronrat stimmte dem Waffenstillstand zu und riet, die Zustimmung des deutschösterreichischen Staatsrat zu gewinnen. Lammasch und Arz fuhren noch nachts in die Stadt, fanden aber nur die sozialdemokratischen Führer Seitz und Otto Bauer vor, die natürlich jede Verantwortung ablehnten. Seit langem bestritten sie das Recht des Kaisers, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen. Im übrigen lag das Waffenstillstandsgesuch des Staatsrates bereits Wilson vor. Angesichts dieser Tatsachen gab Kaiser Karl “[…]um drei Uhr nachts die Zustimmung zum Waffenstillstandsabschluß und legte das Oberkommando nieder, da es ja keinen Krieg mehr gab.[…]” Bis heute diskutiert die Militärhistoriographie, weshalb er den Oberbefehl über die Armee nieder legte und zuerst General Arz mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, als dieser dann ablehnte, Baron Hermann Kövess von Kövessháza damit betraute. In der älteren Literatur stützt man sich auf General Cramon, Kaiser Karl habe sich nicht entschließen können, “[…]einen Waffenstillstand zu unterzeichnen, dessen Bedingungen Deutschland im Rücken gefährdeten.[…]” Die jüngere Literatur gibt–unbelegt–die im Staatsrat geäußerte Meinung wider, der Kaiser suchte den Thron vor der Schmach der Kapitulation rein zu halten und sich der Verantwortung zu entziehen.
Der Versuch, beim Waffenstillstand das politische Konzept der Donaukonföderation zu retten, führte zu den Konfusionen der Nacht vom 2. zum 3. November 1918. Das AOK befahl die gleichzeitige Feuereinstellung und Annahme des Waffenstillstands, während die Italiener die Feuereinstellung erst 24 Stunden nach der Unterzeichnung des Vertrages festsetzten. Italien konnte sich auf diese Weise im letzten Augenblick mit 360.000 ( oder 400.000) Kriegsgefangenen, Deutschösterreichern, Tschechen, Slowaken, Südslawen, Polen, Ruthenen, Rumänen und Italienern, dekorieren. Kaiser Karl zum Vorwurf, “[…]durch die Schuld des AOK seien viele tausend Soldaten in Gefangenschaft geraten, da wir die Feindseligkeiten um 30 Stunden früher einstellten als die Italiener. Dies ist grundfalsch. [Es] waren zur Zeit, als wir den Waffenstillstand anbefahlen, die italienischen Durchführungsbestimmungen mit der Zeitangabe des Einstellens der Feindseligkeiten noch nicht in Schönbrunn eingetroffen. Ich glaube, das war ein Trick der Italiener, um umso schmerzloser den großen Sieg mit den vielen Gefangenen melden zu können, von dem General Diaz selbst sagte, er brauche ihn für die öffentliche Meinung.[…]”
Die vom Waffenstillstand bedingten Befehle und Konferenzen dauerten bis zum Morgen des 4. November 1918, 4 Uhr früh. Ein Telegramm Kaiser Karls an Kaiser Wilhelm II. machte den Schluß .. Das Kaiserpaar ging an diesem Namenstag des Kaisers um halb 5 Uhr früh zur Messe in die Schloßkapelle,” um 10 Uhr vormittags fand der traditionelle Gottesdienst in St. Stephan statt. Bis auf wenige erschienen die Vertreter des alten Regimes bereits in Zivil, die neuen Würdenträger blieben fern, über allen lag die Depression. “Gott erhalte,” “Te Deum laudamus”?
Trotz der Auflösung des Zweibundes, trotz der separaten Verhandlungen Österreich–Ungarns und Deutschlands mit USA und Entente war die im Krieg entstandene Verflechtung der beiden Reiche so eng, daß sich Bewegungen und Revolten nicht isolieren ließen. Die deutsche Revolution zog die österreichische nach sich.
Am 5. November besetzten bayerische Truppen Tirol, sie kamen nach Innsbruck und Gastein, stürmten den Brenner, waren am 7. November in Franzensfeste und am Jaufenpaß, um die Besetzung Deutschlands durch die Entente zu verhindern. Der Ausbruch der bayerischen Revolution zwang sie zum Rückzug von den Hochgebirgspässen, am 12. November verließen sie Innsbruck.
In der Nacht vom 4. auf den 5. November meuterten in Kiel Matrosen der deutschen Hochseeflotte. Die Aufruhrbewegung erfaßte 2000 Seeleute und Arbeiter, in kürze 40.000 Mann. Auf den Masten wehten rote Fahnen, es entstand ein Soldatenrat und es war aussichtslos, die Revolte militärisch niederzuschlagen. Der russische Botschafter in Berlin, Abram Joffe, ehemals erster Verhandlungsführer der bolschewistischen Delegation in Brest Litowsk, hatte den Aufruhr vorbereitet, den Meuchelmord propagiert, Revolutionäre in deutschen Uniformen nach Lübeck und an die Waterkant verschifft, ihre Landung vorbereitet. In dieser Nacht wurde der Stadtkommandant von Kiel erschossen. Die Spartakus–Gruppe der linken Sozialrevolutionäre gewann zunehmend Macht. Nun suchten die deutschen Sozialdemokraten mit Hilfe von Gustav Noske die Matrosen zurück zur Ordnung zubringen. Gleichzeitig wurde der Ruf nach der Abdankung Kaiser Wilhelms II. immer lauter. Denn Wilson hatte in seiner zweiten und dritten Note an Deutschland die Frage nach der Identität der Verhandlungspartner gestellt und deutlich wissen lassen, daß er weder mit den Hohenzollern noch mit Vertretern des deutschen Militärs Gespräche vermitteln und führen wolle. Die Friedensbedingung hieß Vernichtung, oder wenigstens Ohnmacht des deutschen Militarismus. Ludendorff und Hindenburg hatten am 25.Oktober 1918 Kaiser Wilhelm II. den Bruch mit Wilson verlangt. Nachdem er die Entscheidung verweigerte, trat Ludendorff zurück (26. Oktober 1918.) Er war im Einverständnis mit Admiral Scherer, der das Auslaufen der Hochseeflotte forcierte , dazu am 27. Oktober 1918 den Befehl gab und damit die Revolte auslöste.
Nach der Überlieferung Wilhelms II. hätte die Revolution von oben die Revolution von unten hervorgerufen. Tatsächlich wurde unter Max von Baden die Reichsverfassung grundlegend verändert. Die dritte Note an Wilson hob hervor, daß die neue deutsche Regierung, in Übereinstimmung mit der Volksvertretung Führer der großen Parteien integrierte. Die Verantwortung des Reichskanzlers gegenüber der Volksvertretung würde gesetzlich ausgebaut und gesichert, dem Reichstag die Entscheidung über Krieg und Frieden übertragen. Im Gegensatz zu den Plänen der USA, in Deutschland Volk und Regierung voneinander zu trennen, suchte Max von Baden die Identität Deutschlands, die Einheit von Regierung und Volk, zu retten. Die vierte Note an Wilson vom 27. Oktober 1918 versicherte, die deutsche Volksregierung würde die Friedensverhandlungen führen. Der Reichskanzler suchte durch zwei Wochen Kaiser Wilhelm II. von der Notwendigkeit seines freiwilligen Rückzuges überzeugen. und mit einer Regentschaft Monarchie und Thron zu erhalten. Wilhelm II. flüchtete sich in Frontinspektionen, betonte seine Kommandogewalt und Identifikationsfunktion für Offiziere und Soldaten. Die Amerikaner rückten von Antwerpen aus gegen die Maaslinie vor, das Militär geriet in Zersetzung, die linke Agitation drängte auf die Abdankung des Kaisers. Am 5. November 1918 wurde bekannt; Marschall Foch wäre ermächtigt, die deutschen Regierungsvertreter zu empfangen und sie von den Waffenstillstandsbedingungen in Kenntnis zu setzen. Zwei Tage später, am 7. November 1918, fuhr unter der Führung von Matthias Erzberger die deutschen Parlamentäre zu den französischen Linien. Am 11. November 1918 11 Uhr 55 unterzeichneten sie in Compiègne den Waffenstillstand Deutschlands mit der Entente.
Die Revolte hatte sich von Kiel nach Brunsbüttel, Hamburg-Altona und Hannover ausgebreitet, am Jahrestag der Russischen Revolution, dem 7. November 1918, erfaßte sie Braunschweig, in der Nacht zum 8. November München. Man forderte die Abdankung König Ludwigs III. bis 12 Uhr mittags. In Stuttgart herrschte der Arbeiter- und Soldatenrat, Matrosen wollten Berlin stürmen. Am 8. November waren Halle und Leipzig, Düsseldorf, Haltern, Osnabrück, Lüneburg, Magdeburg, Stuttgart, Oldenburg, Braunschweig und Köln rot. Am selben Tag fielen die Throne des Königs von Bayern, des Herzogs von Braunschweig, des Großherzogs von Mecklenburg–Schwerin. Die deutsche Regierung deren”[…]Mitglieder bis gestern in der Mehrzahl gegen die Thronentsagung Euerer Majestät waren, hält heute ganz überwiegend diesen Schritt für das einzige Mittel, um Deutschland vor blutigem Bürgerkrieg zu bewahren […],”telegraphierte Max von Baden nach Spa. Schließlich brach am 9. November 1918 in Berlin die Revolution aus. Die Wiener “Arbeiterzeitung” berichtete den Zusammenbruch des monarchischen Systems in Deutschland: die Absetzung des Königs von Sachsen, den Rücktritt des Fürsten Reuß, des Großherzogs von Oldenburg, die Verzichtserklärung des Großherzogs von Baden.
Wilhelm II., preußischer König und Kaiser des deutschen Nationalstaates, bekannte sich als gläubiger Protestant zum Gottesgnadentum. Er identifizierte sich mit dem preußischen Militär und bekämpfte die Sozialdemokratie. Bis zuletzt beharrte er auf seiner Kommandogewalt, selbst wenn sein Bild verblaßte, wenn sich die Idee des Kaisertums mit ihrer Symbolik, zunehmend von seiner Person getrennt hatte und auf die “[…]Dioskuren Hindenburg und Ludendorff “übergegangen war.
Interessanterweise war in den letzten Oktobertagen der frühgermanische Königsmythos erwacht: General Wilhelm Groener, der Nachfolger Ludendorffs, schlug vor, Kaiser Wilhelm möge sich in die Feuerlinie begeben, um durch Verwundung oder Tod das Schicksal der Monarchie und Deutschlands zu wenden. Um der Straße zuvorzukommen, gab Max von Baden am 9. November die Thronentsagung des deutschen Kaisers telegraphisch bekannt. Wilhelm II. stimmte erst nachträglich diesem Schritt zu. Er wollte nur als deutscher Kaiser, jedoch nicht als König von Preußen abdanken, auch wenn das gegen die deutsche Verfassung war. Max von Baden, loyal zum monarchischen Prinzip, machte den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann und Friedrich Ebert Platz, sie riefen die Republik aus. Kaiser Wilhelm II. unterzeichnete erst am 11. November 1918 das Abdankungsdokument .Er ging nach Holland ins Exil, wo er am 28. November 1918 “für alle Zukunft” auf die Rechte der Krone Preußens und die damit v erbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone verzichete.
Die Wiener Sozialdemokraten jubelten, die “Arbeiterzeitung” schrieb:”[…]Eine reinigende Wiedergeburt ist diese gewaltige Umwälzung[…]Dieser letzte Hohenzoller war aber der Inbegriff von Zudringlichkeit, Lärmsucht, Großmauligkeit. Nicht daß man ihn absetzt, daß man ihn dreißig Jahre ausgehalten hat, ist das Erstaunliche[…]Es ist deshalb eine stolze Genugtuung, daß ihn die Kraft der Sozialdemokratie weggefegt hat. Das ist das tiefe Gleichnis dieser Zeit, das Wunder, in dem sich der Wandel der Dinge überwältigend ausspricht: die Könige fallen und die breiten Volksmassen steigen auf. Die Weltgeschichte tritt ans Gericht, und daß sie diesen Kaiser beseitigen mußte, der an dem Verbrechen des Weltkrieges die größte Schuld trägt, konnte nicht zweifelhaft sein. Das Gewissen der Welt hat eine Genugtuung erhalten.[…]” Es war kein Heldenstück, jetzt so zu schreiben, nachdem sich das Rad der Zeit zu Gunsten der Sozialdemokratie drehte.
Stovall, hatte gründlich über den Hunger und die chaotische Demobiliseriung in Österreich–Ungarn informiert. Das Tempo, in dem die radikale Spartakus Gruppe Anhänger in Deutschland gewann, war mit der Ausbreitung des Bolschewismus in Rußland vergleichbar. Bolschewistische Propagandabüros aus der Schweiz agitierten in Skandinavien, in den baltischen Provinzen, in Italien und Frankreich. In seinem Memorandum über die bolschewistische Bewegung in Westeuropa kam William Christian Bullit, damals Beamter im State Department, zum Schluß, “[…]daß die Sozialdemokratie in Europa unvermeidlich ist.[…]” Bullit schlug vor, die gemäßigten Sozialistenführer Englands und Frankreichs heranzuziehen und zusammen mit ihnen die Front gegen den Bolschewismus zu bilden. Ein Kampf gegen die gemäßigten Sozialdemokraten würde zum definitiven Klassenkampf und blutigen Triumph des Bolschewismus führen. Hunger und ökonomische Desorganisation seien die Ursachen des Bolschewismus in Rußland wie in Westeuropa. Er könnte nur durch die Wiederherstellung des ökonomischen Lebens zerstört werden. Die USA müßten sofort mit der Lebensmittelversorgung in Österreich–Ungarn beginnen.
Erst damals informierte man Präsident Wilson von der päpstlichen Friedensintervention des 24. Septembers 1918. In der Reaktion auf den letzten Friedensaufruf Österreich–Ungarns vom 14. September 1918 hatte Benedikt XV. Kaiser Karl geraten, sich direkt an Wilson zu wenden und versucht, die Entente zur Mäßigung zu veranlassen. Der Papst warnte vor einem Frieden, der im Krieg wurzelte, vor dem bolschewistischen Ferment, vor Kriegsmüdigkeit, Hunger oder Pest. Auch künstliche politische Devisen oder subtiler Verrat könnten den Bolschewismus zur Herrschaft bringen. Wilson sollte deshalb den genauen psychologischen Moment erkennen,”[…]der für den amerikanischen Frieden passend ist und dem auch der Papst zustimmen kann.[…]” Benedikt XV. hielt Amerikas Präsidenten für die größte lebende Macht,”[…]die zwischen dem kämpfenden Europa und dem Bolschewismus steht und die für eine gewisse aber nicht unbeschränkte Zeit so effektiv sein wird.[…]” Wilson sollte den Augenblick für den Frieden abwarten und dann rasch handeln, um Europa nicht ins Chaos zu stürzen. “[…]Der Papst glaubt in seiner tiefen Sorge, daß sich der Bolschewismus auf Europa ausdehnen wird und ist überzeugt, daß fast überall in Europa der Geist der unwissenderen Volksmassen zum Bolschewismus neigt.[…]”
Wir können den Einfluß dieser Dossiers auf Wilson nicht nachweisen. Es ist aber zu registrieren, daß Karl Seitz, damals einer der Präsidenten des Staatsrates und Obmann der sozialdemokratischen Partei Deutschösterreichs , am selben Tag eine persönliche Nachricht des Präsidenten der USA erhielt. Wilson rief die Völker, die sich vom “Joch” der Österreichisch–ungarischen Monarchie befreit hatten, auf, alle Kräfte zu binden, die Fortschritte der Freiheit verzögern und in Mißkredit bringen könnten.
In diesen beiden Wochen (27. Oktober bis 12. November1918) hielt sich Kaiser Karl in Schloß Schönbrunn auf. Das Kaiserpaar war zur Angelobung der Regierung Lammasch das letzte Mal in der Wiener Hofburg gewesen. Beim mittäglichen Wechsel der Burgwache hatte es sich an einem Fenster gezeigt und war von der im Burghof angesammelten Menge stürmisch akklamiert worden. Nachdem Andrássy die Lösung des deutschen Waffenbundes und den Separatfrieden bekanntgegeben hatte, war der Stimmungswandel in der Bevölkerung abrupt. Schon zirkulierten Gerüchte von der Entthronung der Habsburger. Als man in Wien den Rückzug der Ungarn von der Front erfuhr, wurde die Burgwache, ihr IR Nr. 69 bestand zu 93% aus Ungarn, insultiert, mit Entwaffnung bedroht. Am 1. November wurde das Regiment abkommandiert. Damit war Schloß Schönbrunn plötzlich ohne “Burggendarmen”. Das Assistenzbataillon des AOK, das die Bewachung übernehmen sollte, kam nicht. Am 2. November trafen dann 60 Mann mit 15 Offizieren ein. Die anderen, Opfer von Agitatoren, hatten sich aus dem Staub gemacht. Am 3. November 1918 erschienen die letzten Jahrgänge sämtlicher Militärakademien aus Wiener Neustadt, Mödling und Traiskirchen und aus der Artilleriekadettenschule in Schönbrunn . Nach der Schilderung des letzten Kommandanten der k.u.k. Leibgardeinfanterie, Oberst Carl Wolff, waren außer den Militärakademikern noch 200 Mann der Leibgardeinfanterie, 20 Mann Reitereskadron und je 4 Offiziere der I. Arcièren–und der königlich–ungarischen Leibgarde im Dienst. Der Bericht Kaiser Karls, von seiner großen Verlassenheit in Schönbrunn, vom Abfall seines Heeres, besonders der Offiziere, dürfte aus dem Schock des Kaisers entstanden sein, aus der Reflexion seiner Ohnmacht. Ein Kaiser ohne Heer? Eine Vorstellung, die spätestens seit Joseph II. undenkbar war. Es hatten sich sehr wohl Offiziere zum Schutz des Kaisers gemeldet, verschiedene Generäle und Offiziere in Österreich, Böhmen und Mähren wollten ihm zu Hilfe eilen, die Revolutionen niederschlagen. Was der revolutionäre Staatsrat verhinderte. In der realistischen Einschätzung der Situation hatte der Kaiser diese Angebote abgelehnt, um den Bürgerkrieg zu vermeiden. Er zog sich in Übereinstimmung zum Völkermanifest von der Geschäftsführung zurück. Die Regierungen sollten jetzt die Situation meistern.
In der Woche vom 3. bis 10. November war vieles ungeklärt. In Österreich arbeitete man an der Trennung von böhmischen und deutschösterreichischen Behörden, an der Übergabe der Agenda, an Beamtenkompetenzen und Verwaltungsstrukturen, an Benützungsrechten von Ämtern, Häusern, Ministerien und Büros. Iin Österreich und in Böhmen war die Staatsform noch nicht deklariert. Noch bestand die Hoffnung auf einen Rückbindungsprozeß im Rahmen der Donaukonföderation. Tuzsar, ehemaliger Abgeordneter des Reichsrates und Geheiminformant von Beneš, jetzt Bevollmächtigter für die tschechischen Angelegenheiten in Wien, gab sich diplomatisch zurückhaltend, freundlich und kooperativ.
Bei der Christlichsozialen Partei trat zwischen dem 9. und 12. November ein Wandel in der Haltung zur Staasform Deutschösterreichs ein. Schlüsselfiguren wurden der Prälat Johann Nepomuk Hauser, einer der Präsidenten des Staatsrates, und der Vorarlberger Abgeordnete, Jodok Fink. Hauser war am 5. November zusammen mit Renner zum Kaiser nach Schönbrunn gerufen worden. Der Kaiser ließ sich informieren. Angeblich soll Hauser dem Kaiser den Regierungs–oder Thronverzicht nahegelegt haben, was bei den Diskussionen um Abdankung, Rückzug, Sicherheit des Kaisers in Wien möglich war. Jedenfalls teilte der Obersthofmeister des Kaisers, Graf Hunyady, Oberst Wolff am selben Tag mit, die kaiserliche Familie plane, Schönbrunn zu verlassen und in eines ihrer Schlösser Eckartsau, Artstetten oder Mattighofen zu ziehen.
Die Situation verschärfte sich nach der Abdankung Kaiser Wilhelms. Der “Abfall” der Ungarn, Tschechen und Südslawen, der Polen und Rumänen verstärkte die österreichische Verflechtung mit dem Deutschen Kaiserreich, Wilson, der Bolschewismus und die Sozialistische Internationale taten das Ihre. Am 10. November versuchte Kaiser Karl über den Wiener Kardinal Piffl eine Intervention bei der Christlichsozialen Partei zugunsten der monarchischen Staatsform. Sie erschien zuerst erfolgreich. Doch am Abend dieses Sonntages wurde zwischen der letzten k.k. Regierung und dem Staatsrat ein Konsens über die erwartete Proklamation des Kaisers erzielt. Der letzte k.k. Handelsminister Wieser berichtet vom Besuch Renners und Seitz am 10. November um ½ 10 Uhr abends beim Ministerrat:”[…]Die beiden besprachen mit Lammasch und einigen anderen Herren zu meiner grossen Überraschung in der Tat den Entwurf [des kaiserlichen Manifests]und brachten selbst einen Entwurf mit, der im grossen ganzen im gleichen Sinne gedacht war. Sie forderten keineswegs einfach die Abdankung des Kaisers, noch weniger den Verzicht für den Kronprinzen und die Dynastie, sondern liessen eine Fassung zu, bezw. schlugen selbst eine Fassung vor, welche die Entscheidung für später vorbehielt (wobei an die Konstituante gedacht werden konnte) und die die Verdienste des Kaisers hervorhob, die er um Friede und Verfassung hat.[…]Nachdem die Beiden weggegangen waren, setzten wir uns nocheinmal zusammen und stellten den Text endgiltig fertig.[…] Da der Kaiser nicht auf seine Rechte verzichtet, ist für die Zukunft alles offen; wie denn überhaupt, wenn eine dynastische Welle wiederkommt, diese Bewegung allein entscheiden wird.[…]”Dann fuhren Lammasch und Gayer nach Schönbrunn, um dem Kaiser den bis dahin vollendeten Teil der Proklamation zu zeigen. Kaiser Karl hatte sich entschlossen, in Eckartsau Aufenthalt zu nehmen. Unter dem Eindruck eines möglichen Revolutionsausbruches stellten Lammasch und Seipel im Konsens mit Renner und Seitz noch in der Nacht den Text der “Verzichtserklärung” fertig. Der Kaiser sollte sich vorläufig zurückziehen und vorübergehend auf seinen Anteil an den Staatsgeschäften, also auf die Geschäftsführung, verzichten. Hatte das nicht Graf Czernin bereits am 14. April 1918 im Zusammenhang mit der von ihm inszenierten Sixtus–Affaire gewollt, um Österreich- Ungarn an Deutschland anzuschließen? Am 11. November sollte der Staatsrat, am 12. November die Nationalversammlung den Rückzug des Kaisers sanktionieren und die neuen Grundgesetze der Republik beschließen.
Wir folgen dem Augenzeugenbericht Werkmanns, als Lammasch und Innenminister Gayer die “Verzichtserklärung” in Schönbrunn zur Unterschrift vorlegten. Die Kaiserin wurde–es soll das einzige Mal gewesen sein–der Beratung zugezogen. Sie überflog das Blatt und brach dann los:”[…] < Niemals - Du kannst nicht abdanken> Die Kaiserin war so ergriffen, daß sie jeden Versuch der Aufklärung überhörte. Sie fuhr fort: […]”Der Kaiser zog sich nun mit der Kaiserin und Werkmann in das Prozellanzimmer zurück, um ungestört zu einem Entschluß zu kommen. Werkmann brachte dem Kaiser die Hoffnungslosigkeit seiner Situation nahe.”[…]Seine Majestät möge die Genesung der Völker abwarten. Da hält das Manifest die Wege offen. Eure Majestät wollen es unterzeichnen.>[…]Nach diesen meinen letzten Worten versank der Kaiser förmlich in sich selbst, der Kaiser und die Kaiserin schwiegen vielleicht 2 oder 3 Minuten lang, dann straffte sich der Kaiser und befahl mir: […]” Am selben Tag trat die Regierung Lammasch zurück. Mit ihr verlor der Kaiser seine letzte Prärogative, die Exekutivgewalt. Die Ohnmacht war ihm bewußt. Redlich und Wieser überliefern sein würdevolles und integeres Verhalten bei ihren Abschiedsaudienzen. “[…]Am 12. November wurde die Republik Deutschösterreich und ihr Anschluß an das Deutsche Reich unter einer Massendemonstration von Arbeitern, Arbeiterinnen und Studenten von der Terrasse des Parlaments aus verkündet. Die Kommunisten rissen die weißen Streifen aus den österreichischen Rot–Weiß–Roten Flaggen heraus und unternahmen einen Sturm auf das Parlament, der mit Mühe abgewehrt wurde. Am Abend des gleichen Tagen fuhr der Kaiser mit seiner Familie nach Eckartsau, seinem Jagdschloß vor den Toren Wiens, cca 20 km von dem Zentrum der Stadt entfernt.
Die Arbeiterzeitung hatte vom 9. bis 11. November scharf, propagandistisch und hetzend gegen Gottesgnadentum, Hof und einzelne Erzherzöge geschrieben “die Abdankung Kaiser Karls,” publik gemacht, bevor er überhaupt ein Papier unterzeichnet hatte. Der Stimmungsumschwung bewirkte in der Nationalversammlung vom 12. November 1918 die Entscheidung der christlichsozialen und deutschnationalen Abgeordneten zugunsten der Republik. Prälat Hauser, “Geheimer Rat” des Kaisers, hatte seine vorherigen Zusage gebrochen. Mit Rücksicht auf die Bauern Oberösterreichs, die Kärntner Landesversammlung und den Tiroler Nationalrat hatte er nicht in der Nationalversammlung die Entscheidung zugunsten von Monarchie und Dynastie sondern für die Republik herbeigeführt, wofür er sich einen Tag später dann bei Kardinal Piffl entschuldigte.
Gleichzeitig beschloß der deutschösterreichische Episkopat, seine politische Haltung zu neutralisieren und den Alternativen von republikanischer und monarchischer Staatsform auszuweichen.
Dr. Otto Bauer ersetzte den am 11. November 1918 plötzlich verstorbenen Dr. Viktor Adler. Am 13. November 1918 notifizierte er Deutschösterreich bei Wilson, gab seinen Anschluß an Deutschland bekannt, ersuchte um einen ehesten Präliminarfrieden und um Lebensmittelhilfe. Infolge der fortdauernden Blockade und der zerrissenen Wirtschaftseinheit der alten Monarchie drohe die Hungerkatastrophe.
Am 13. November 1918 kam Baron Gyula Wlassics, Präsident des ungarischen Magnaten–oder Oberhauses, mit einer Delegation nach Eckartsau. Sie ersuchten um die Verzichtserklärung des König für Ungarn analog zu jener für Deutschösterreich, die er schweren Herzens unterschrieb. Die Manifeste von Schönbrunn und Eckartsau wollten die Türe für eine Restauration offen lassen. In diesem Sinn unterschrieben, bedeuteten sie weder Abdankung noch Thronverzicht. Sie wurde von den österreichischen Bischöfen, vom Nuntius und von einem Teil der österreichisch–ungarischen Öffentlichkeit als Abdankung aufgefaßt und in diesem Sinn publiziert.
Unmittelbar nach der königlichen Signatur unter die ungarische Verzichtserklärung schloß Kriegsminister Belá Linder mit General Louis Felix Franchet d’ Esperay in Belgrad den Waffenstillstand zwischen der Entente und Ungarn, obwohl bereits in der Villa Giusti der Waffenstillstand für die Gesamtmonarchie unterzeichnet worden war. Am 14. November 1918 notifizierte Graf Michael Károlyi das neue Ungarn bei Wilson.
Zwei Tage später, am 16. November 1918, zerrissen die Tschechen alle “Fesseln”, die sie an das Haus Habsburg–Lothringen ketteten und erklärten es all seiner Rechte auf das Reich der heiligen Wenzelskrone für verlustig. In Prag verkündete die erste Nationalversammlung unter dem Vorsitz von Karel Kramár die Staatsform der Republik, parallel dazu rief Michael (Mihály) Károlyi in Budapest die Republik aus. Erzherzog Joseph , vom Kaiser und König als einziger Soldat seines Treueids entbunden, leistete als Joseph von Alcsuth den Bürgereid auf Ungarn. Er hoffte, die heimkehrenden Truppen unter seine Kontrolle bringen und den legitimen König wieder einzusetzen zu können. Was mißlang.