KAPITEL XV – DIE FRIEDENSSCHLÜSSE IM OSTEN

(WINTER UND FRÜHLING 1918)

Im Frühling 1917 hatte die Russische Revolution das Zarenreiches zerstört, im Oktober waren die Radikalen (Bolschewisten) an die Macht gekommen. Sie hatten Alexander Feodorowitsch Kerenskij besiegt. Lenins (Wladimir Iljitsch Uljanow) macchiavelistische These, “gut, erlaubt und moralisch ist, was der Revolution nützt,” verzehnfachte seine Anhängerschaft in einem halben Jahr. Er kopierte bewußt die Französische Revolution von 1789 und versprach Soldaten, Bauern und Arbeitern den Frieden und das Land, das man mit blutigen Methoden des Terrors der Bourgeoisie enteignete. Während dieses Machtkampfes tobte noch die 12. Isonzoschlacht. Am 8. November 1917 proklamierten Lenin und Trotzkij einen Allgemeinen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen unter Wahrung des nationalen Selbstbestimmungsrechtes. Die Deutschen hatten ihr Ziel von 1914, den russischen Koloß militärisch von außen und von innen durch die Revolution zu stürzen, erreicht.
Zwischen dem 9. und 21. November 1917 berieten Österreich–Ungarn und Deutschland über mögliche Reaktionen auf diese Ereignisse. Während Kühlmann reserviert abwartete, waren Czernin und Ludendorff für rasche Waffenstillstandsverhandlungen. Die Beamten in den Außenämtern bezweifelten grundsätzlich, mit den Bolschewisten verhandeln und Verträge abschließen zu können. Doch die DOHL suchte die Kriegsentscheidung im Westen, wozu sie ihre Truppen von der Ostfront brauchte, sie wünschte die Gespräche. Czernin wollte den Einbruch der Russischen Revolution in die Donaumonarchie verhindern. Ein Friedensschluß würde unumkehrbare Fakten schaffen, deshalb wollte er auf die Forderungen Lenins eingehen. Wilhelm II. vermutete im Gespräch mit Kaiser Karl, die Entente würde in den drei Monaten des Waffenstillstandes die russischen Truppen wieder aufrüsten und eine weitere Offensive planen. Doch Czernin übte Druck auf Deutschland aus, um einen Separatfrieden abzuschließen, während Kühlmann den Zusammenbruch der bolschewistischen Herrschaft erwartete.
Der Aufruf Lenins und Trotzkijs zum Waffenstillstand schnitt diese Diskussionen am 21. November 1917 ab. Wien drängte zur Eile, während sich der russische General Nikolai Nolaijewitsch Duchonin weigerte, die Verhandlungen einzuleiten. Am 27. November 1917 gab der Fähnrich der Reserve, Nikolaj Wassiljewitsch Krylenko, die russischen Parlamentäre bekannt. Die 28–köpfige Delegation kam unter der Führung von Adolf Abramowitsch Joffe, dem Freund Trotzkijs, am 2. Dezember 1917 um 16. 30 an der Grenze in Dünaburg an. Tags darauf erreichte sie um 10. 30 Uhr die Festung Brest Litowsk.
Hindenburg hatte für die Waffenstillstandsverhandlungen mit Rußland den Standort des deutschen Herresoberkommandos Ost [Ober – Ost], die Schlüsselposition an der Grenze zu Polen, Weißrußland und der Ukraine, für die Verhandlungen mit Rumänien Czernowitz und Foçsani bestimmt. Die ehemals russische Festung Brest Litowsk,, war von einer entvölkerten Kleinstadt umgeben. Die Gespräche begannen im Theatersaal des Offizierskasinos, die Delegationen speisten in dessen ebenerdigen Räumen unter dem Vorsitz von Prinz Leopold von Bayern.
Die Konzeption der DOHL, die Grenzen weit nach dem Osten zu verschieben, war längst festgelegt. Der deutsche Einfluß auf Polen und Rumänien müßte gesichert, darüber mit Österreich verhandelt werden. Zuerst sollten Kurland, Livland und Litauen in Protektorate verwandelt, Riga, die Inseln Dagö und Ösel, die Alandsinseln, Estland, Lettland und Finnland mit Deutschland verbunden werden. Die Ukraine, von Kerenskij als sozialistische Volksrepublik seit Juni 1917 anerkannt, war aus Rußland herauszulösen, ebenso die von der Türkei 1878 abgetretenen kaukasisch–armenischen Gebiete.
Das methodische Vorgehen Hindenburgs und Ludendorffs folgte einem sehr einfachen Muster. Zuerst meldeten die zu okkupierenden Gebiete innere Unruhen, dann marschierte man ein, kam den Bedrängten zu Hilfe, errichtete Protektorate und kassierte dafür große wirtschaftliche Vorteile: Rohstoffe (Erdöl, Kohle, Mangan, Gummi, Asbest, Erze), Getreide und Baumwolle, besetzte Bahnlinien und Häfen. Nicht von ungefähr bemerkte Kaiser Karl, die jüdische Gattin Ludendorffs würde der deutschen Schwerindustrie nahe stehen. Schon vor den Waffenstillstandsverhandlungen war unter Karl Helfferich ein Spezialbüro zur wirtschaftlichen Ausbeutung Rußlands, der Ukraine und Georgiens entstanden, um die Märkte dem deutschen Kapital zu öffnen.
Seit 1916 bewegten sich die Gespräche mit Österreich zur Wiederherstellung des polnischen Königreiches, um seine Eingliederung in die deutsche oder österreichisch- ungarische Machtsphäre. Ludendorff verwarf jetzt den Erwerb Polens. Ihn störte der Zuwachs slawischer Bevölkerung. Rumänien dessen König, ein Mitglied der Familie Hohenzollern–Sigmaringen, wegen seines Absprungs zur Entente abgesetzt werden sollte, war interessanter. Rumänien verfügte über größere Erdölvorkommen, bot landwirtschaftliche Produkte und den Zugang zum Schwarzen Meer. Die Kreuznacher Vereinbarung vom Mai 1917 war zu korrigieren, Österreich–Ungarn dürfte aus Rumänien keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen, es hatte noch die Rechnung für die deutsche Waffenhilfe bei der letzten russischen Offensive (Kerenskij–Offensive) zu zahlen. Auch Kühlmann plante, Österreich–Ungarn zum deutschen Vasallen zu machen. Er versuchte es mit diplomatischer Kunst, während sich Hindenburg und Ludendorff dabei keinen Zwang auferlegten. Wiederholt drohten sie mit der Besetzung Böhmens, sie erwarteten einen Krieg gegen Österreich–Ungarn. Jetzt waren sie mit der Auflösung des ehemaligen Zarenreiches beschäftigt, wobei sie das Terrain an der deutschen Ostgrenze zum Aufmarschgebiet eines zukünftigen deutsch–russischen Krieges bestimmten.
Mit Czernins Interpretationen vom Selbstbestimmungsrecht konnte Deutschland pro forma auf die russischen Forderungen nach einem Frieden ohne Annexionen und Kontributionen eingehen. Der Wiener Hofrat Friedrich von Wiesner hatte sie ausgearbeitet, auch Graf Mensdorff wurde damit für seine Friedenssondierungen mit dem britischen General Smuts instruiert.
Am 1. Dezember1917 erklärte sich Litauen als unabhängiger, auf demokratischen Grundsätzen aufgebauter Staat. Es trennte sich von Rußland und garantierte Deutschland für die staatliche Anerkennung eine Militär- und Verkehrskonvention, Zoll–und Münzgemeinschaft. Analog zu Kurland bot es Kaiser Wilhelm II. seine Krone an , um mit Preußen und Deutschland in Personalunion verbunden zu sein.

DIE FRIEDENSVERTRÄGE VON BREST LITOWSK:
UKRAINE (9. FEBRUAR 1918)
RUSSLAND ( 3. MÄRZ 1918)

Am 3. Dezember 1917 waren die Gerspräche der Zentralmächte mit Rußland eröffnet. Auf 28 Tage befristet, sollte der Waffenstillstand 72 Stunden vorher kündbar sein und bei automatischer Verlängerung sechs Monate dauern. Der deutsche Generalmajor Max Hoffmann,”[…]ein Hüne Mitte der Vierzig, mit ziemlich glatt geschorenem runden Schädel und einem etwas arroganten Gesicht[…],”führte die Verhandlungen. Sein Auftreten war überaus selbstbewußt und bestimmt. Er behandelte die russische Delegation mit einer gewissen Jovialität, “[…]wie unerzogene, aber doch besserungsfähige Kinder[…].”
Schon in der ersten Phase der Gespräche, dominierten die Deutschen, sie spielten die Österreicher an die Wand. Es kam zu Divergenzen mit den Russen, die den Allgemeinen Frieden anstrebten. Generalmajor Hoffmann besaß nur militärische Vollmachten zum Abschluß des Waffenstillstands, keine politischen für einen Friedensschluß. Deshalb reiste die russische Delegation am 5. Dezember zu Beratungen nach St. Petersburg (Petrograd) und kehrte erst am 13. Dezember zurück. Am 15. Dezember wurde der Waffenstillstand dann unterzeichnet. Arz und Czernin hatten Hindenburg gebeten, den Vertrag nicht zu gefährden. Österreich – Ungarn wünschte unmittelbar danach Friedensverhandlungen.
Am 16. Dezember 1917 waren Vertreter der Ukraine in Brest Litowsk angekommen, um die ihre nationalen Interessen zu wahren. Sie anerkannten die russische Delegation nicht und hielten sie nicht für legitimiert, Großrußland zu repräsentieren, während Generalmajor Hoffmann den Waffenstillstand als für ganz Rußland geltend betrachtete. Aber die deutschen Kommissionsmitglieder sympathisierten mit den Ukrainern. Einen Tag danach berichteten sie, England und Frankreich versuchten, sie auf Seiten der Entente festzuhalten. Auch die USA waren an der Destruktion des Zarenreiches und seiner innerer Veränderung interessiert. Sie bezahlten Kerenskij über das eigene Kriegspropagandabüro in St. Petersburg und beobachteten gespannt den Verlauf der Brester Verhandlungen.
Mit dem Bemühen, die eigene Front zu nationalisieren, d.h. russische Regimenter gegen eigene Verbände von anderen Fronten auszutauschen, demonstrierten die Ukrainer Unabhängigkeit. Hoffmann überlegte, sie zur nachträglichen Mitunterzeichnung des Waffenstillstandes zuzulassen und auf diesem Weg Ukrainische Volksrepublik anzuerkennen. Kajetan von Mérey, der Vertreter Czernins in Brest Litowsk, lehnte solche Unternehmungen ab. Er befürchte zu Recht, als Reaktion darauf die Mobilisierung der slawischen Unabhängigkeitsbewegungen in der Donaumonarchie. Inzwischen waren in der Ukraine bolschewistische Unruhen ausgebrochen, die Deutschen stellten militärische Hilfe.
Die Friedenskonferenz hatte am 22. Dezember begonnen, die russische Delegation akzeptierte die Vorschläge Czernins vom 25. Dezember und ersuchte, die Verhandlungen bis zum 4. Jänner zu unterbrechen. Hoffte sie doch noch die Entente an den Verhandlungstisch zu bekommen.
Czernin drohte wegen der langatmigen Diskussionen von Deutschen und Russen über Annexionen und Selbstbestimmungsrecht, allein den Sonderfrieden zu schließen. Ludendorff reagierte verärgert. Auf Kosten Österreich–Ungarns unterstützte er die ukrainischen Ansprüche auf Ostgalizien und das Cholmer Land, plötzlich erinnerte an Kaiser Karls Zusage vor der 12. Isonzoschlacht, keinen Separatfrieden schließen zu wollen.
Erst nach der Drohung, die Friedensgespräche abzubrechen, kehrte die russische Delegation am 8. Jänner in veränderter Zusammensetzung unter der Führung von Leo Trotzkij nach Brest Litowsk zurück. Glaise Horstenau beschrieb Trotzkij < recte Bronstein > als einen in seiner Art interessanten . “[…]Über einem kleinen, blassen, von starken Seitenfurchen durchzogenen Gesicht dehnte sich eine mächtige Stirne und darüber ein wilder Haarschopf. Die Nase war spitz wie der Blick, der hinter dem Kneifer aus grauen Augen hervorlugte. Ein Spitzbart nach der Art, wie ihn die 48er Revolutionäre trugen, zierte das scharfe Kinn. Mittelgröße in Gestalt.[….]Trotzkij hatte mehrere Jahre in Wien verbracht, wo das Kaffee Zentral sein Stammlokal war.[…]Er beherrschte das Deutsche glänzend und berichtigte mehr als einmal den Dolmetsch[…].” Die Russen versuchten, die Friedenskonferenz nach Stockholm zu übersiedeln. Trotzkij, der er auf den Kriegseintritt der USA setzte, begann die Verhandlungen zu verzögern. Er wollte, so Czernin an Kaiser Karl, “[…]durch den Beweis der deutschen Annexionswünsche in unserem Hinterland revolutionäre Unruhen[…]erzeugen[…].” Nach Rudolf Mittag von Lenkheym, dem ersten Sektionschef des k.u.k. Außenministeriums, der an den Verhandlungen teilnahm, überwachte der “[…]Abschaum dessen, was man in einer Hafenstadt finden kann: Matrosen in zerlumpten Sweatern, Dockarbeiter in fleckigen Lederjacken u. s. w. Trotzkij im Auftrag seiner Parteifreunde, damit er nicht die Sache des verrate[…].” An der Sitzung vom 10. Jänner nahmen auch die ukrainischen Delegierten teil. Schließlich provozierte Trotzkij Generalmajor Hoffmann, die Debatten über die Räumung der deutsch besetzten Gebiete abzubrechen. Als Hoffmann dann am 18. Jänner 1918 bemerkte, die Grenzlinie südlich von Brest Litowsk stünde nicht zur Diskussion, man verhandle darüber mit der ukrainischen Delegation, beantragte Trotzkij wieder, die Sitzung zu unterbrechen. Er reiste wegen “politischer Pflichten” zum allrussischen Rätekongreß nach St. Petersburg . Bis zu seiner Rückkehr wollte die russische Delegation unter der Leitung Joffes weiterarbeiten, während Hoffmann und Vertreter des deutschen Auswärtigen Amtes die Gespräche mit der ukrainischen Delegation fortsetzten. Die Ukrainer forderten fast das ganze Cholmer Gouvernement und das Selbstbestimmungsrecht für die Ruthenen Galiziens. Das betraf Österreich–Ungarn und Polen. Graf Czernin erkrankte, Kühlmann verhandelte allein weiter.
Währenddessen brachen in Wien und Niederösterreich große Streiks aus (14 Jänner 1918), die auch von Dr. Otto Bauer, dem Oberleutnant der Reserve aus dem Kriegsministerium, geschürt worden waren. Die linksradikalen Arbeiter protestierten wegen der gekürzten Mehlration, sie opponierten gegen die Verschleppung des Friedensschlusses in Brest Litowsk und agitierten im Sinne der russischen Bolschewisten. Czernin, “nervös geworden”, fürchtete die Reaktion der Russen. Situationsberichte aus Böhmen beunruhigten ihn.. Deshalb forderte er sehr erregt Korrekturen in der österreichische Innenpolitik. Das von Ungarn zurückgehaltene Getreide müsse requiriert, bei Kaiser Wilhelm II. um deutsche Nahrungsaushilfe angesucht und der ehemalige ungarische Ministerpräsident, Graf Stephan Tisza, mit dem Ernährungswesen betraut werden. Nachdem Kaiser Karl angeblich ohne Czernins Wissen österreichische Diplomaten konsultiert hätte, drohte der Minister wieder einmal mit Demission, er vermutete seine Abberufung.
Unter dem Eindruck der Massenbewegung in Wien und Niederösterreich machte Czernin schrittweise Konzessionen. Er war bereit, das Cholmer Land als Kompensation für die austro–polnische Lösung, und für das von den Ukrainern zugesagte Getreide abzutreten. Kaiser Karl erklärte sich damit vollkommen einverstanden, er drückte dem Außenminister das Vertrauen aus. Doch Czernin ließ sich nicht vom Kaiser abhalten, nach Wien zu reisen, Denn Demblin hatte den Minister, der vor einem Nervenzusammenbruch stand, dringend ersucht, hier “Ordnung zu machen”. In Wien forderte Czernin die Einberufung des Kronrates und Strategien gegen die Ausweitung der Revolution. Der Kronrat beschloß, Czernin sollte, wäre es wegen der Versorgungslage unmöglich, den Krieg fortzuführen, ein Separatabkommen mit den Russen schließen, die austropolnische Lösung zurückstellen und den Anschluß Rumäniens an die Monarchie ins Auge fassen. Man wollte erst nach der Lösung von Territorialfragen über die von Deutschland geforderte Militär-, Handels- und Verkehrskonvention beraten.
Die Arbeiterzeitung brachte am 16. Jänner 1918 ein klassenkämpferisches Manifest der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Hinblick auf die Verhandlungen von Brest Litowsk,: “[…]Das Volk wolle nicht < den Krieg gegen Rußland zu dem Zweck weiterführen, damit der Kaiser von Österreich zum König von Polen gewählt werde und damit der König von Preußen wirtschaftlich und militärisch über Kurland und Litauen verfüge>[…].” Die Arbeiter und Arbeiterinnen sollten, auf der Grundlage des unverfälschten Selbstbestimmungsrechtes der Völker für den Frieden kämpfen.
Die sozialdemokratischen Führer ließen sich dann von Ministerpräsident Seidler und Sektionschef Flotow beruhigen. Die Streikbewegung war zwar eine bedrohliche Sympathiekundgebung für Russen und Tschechen, eigentlich aber nur eine Kraftprobe “pro forma.” Denn die Sozialdemokraten wußten ganz genau, daß Österreich beim Ausbruch einer von ihnen provozierten Revolution zum Kriegsschauplatz würde.
Währenddessen diskutierten die Bolschewiken in Brest Litowsk , ob sie die Friedensbedingungen annehmen oder einen Revolutionskrieg entfachen sollten. Die einen waren für den Frieden, die anderen für die Revolution. sie erwarteten Hilfe von der inneren Entwicklung in Deutschland und Österreich–Ungarn.
Czernin kehrte verdüstert nach Brest Litowsk zurück. In Wien überreichte man dem deutschen Botschafter eine Darstellung der österreichischen Kriegsziele und teilte mit, daß die Öffentlichkeit nicht daran denke, den Krieg für deutsche Eroberungen fortzusetzen. Man könne nur auf der Basis eines gemeinsamen Verteidigungskrieges “durchhalten.” Kühlmann berichtete von seiner großen Mühe, “[…]Graf Czernin bei der Stange zu halten[…],” der wieder mit dem österreichischen Separatfrieden drohte, in dem Kühlmann den Anfang vom Ende erblickte. “[…]Denn die Hoffnung, das isolierte Deutschland allein niederwerfen zu können, wird dann die Entente bis zum letzten Blutstropfen fechten lassen.[…]” (!)
In der Ukraine waren Kämpfe ausgebrochen. Die Bolschewisten hatten Kiew besetzt, die ukrainische Regierung existierte fast nicht mehr. Deutschland war bereit, der Rada zu Hilfe zu kommen. Czernin sagte die Abtretung des Cholmerlandes zu, der Kronrat hatte ihn aber nur zur Autonomieregelung für Ostgalizien ermächtigt. Erst wieder in Brest Litowsk, ließ er sich von Kaiser Karl unter der Bedingung, daß die Getreidelieferungen tatsächlich einträfen, telegraphisch zur Abtretung des Cholmerlandes delegieren.
Die USA wandten sich nach ihrer anfänglichen Annäherung an die Ukraine den Bolschewisten zu.
Während der Arbeiten am Vertrag mit der Ukraine lief die innerdeutsche Diskussion über die bolschewistische Verschleppungstaktik. Die DOHL war für ein Ultimatum an die Russen und nach dessen Ablauf für den Einmarsch in die zu annektierenden Gebiete. Kühlmann wollte zuerst den Vertrag mit der Ukraine schließen, um nicht das Bündnis mit Österreich- Ungarn zu gefährden. Czernin, von Kaiser Karl angewiesen, sich von der deutschen Eroberungspolitik zu distanzieren, war es mit dem russischen Separatfrieden ernst. Er fuhr mit General Hoffmann und Kühlmann zu einer internen Aussprache nach Berlin. Auch Kühlmann beabsichtigte nicht, die Verhandlungen mit den Russen abzubrechen. In Berlin verhandelte man über Polen und die Ukraine. Die DOHL forderte die schon bekannte Grenzverschiebung nach Osten, um auf 10–20 km Breite einen deutschen Schutzwall anzulegen. Ein oder zwei Millionen Menschen, die auf diesem Landstrich von 24.000 km2 lebten, sollten umgesiedelt werden. Deutschland wollte die polnischen Juden, die meist Russen waren, zur Auswanderung nach Amerika zwingen. Auf diesem entvölkerten Terrain sollte eine moderne Art von Bastion mit sechs großen Übungs-, Schieß- und Flugplätzen entstehen. Die DOHL wischte die Bedenken, welchen Eindruck dieses Vorhaben auf die Weltpolitik machen würde, mit der Behauptung hinweg, der österreichische Kriegsminister würde Ähnliches gegen Rumänien unternehmen. Ludendorff entwickelte den Plan eines neuen Krieges gegen Rußland und forderte das oberschlesische Kohlenrevier. Kühlmann wies auf die akute Krise im Gesamtverhältnis zu Österreich – Ungarn hin. Es war kriegsmüde, in Cattaro hatten die Matrosen gemeutert, und es lag in der Luft, daß Österreich–Ungarn das deutsche Bündnis lösen wollte. Doch Ludendorff beharrte auf seinen imperialistischen Konzepten für Ost–und Westeuropa.
Am 5. Februar 1918 einigte man sich in Berlin über den Frieden mit der Ukraine, über das Ende der Verhandlungen mit Trotzkij, sowie auf einen Verteilungsschlüssel für das ukrainische Getreide.
Nachdem Ludendorff die Kündigung des Waffenstillstands und eine neue Militäraktion gegen Rußland plante, stellte sich die Frage, in wieweit Österreich–Ungarn noch verpflichtet war, an der Seite Deutschlands den Krieg fortzusetzen, würden die Gegner seine territoriale Unverletzlichkeit zusichern? Ludendorff bestand bei einer Lösung Österreich–Ungarns von Deutschland auf Garantien, einen Wirtschaftskrieg auszuschalten und die überseeischen Besitzungen Deutschlands wiederherzustellen. In der Kolonialfrage uneins, sollten die Außenminister Interpretationen über Verpflichtung und Auflösung des deutsch–österreichischen Kriegsbündnisses erarbeiten. Die dann von Demblin nach Wien überbrachte Formel “[…]Österreich – Ungarn ist nicht verpflichtet, weiter zu kämpfen, falls die Entente bereit wäre, auf Grund des territorialen status quo und des Programmes Frieden zu schliessen, und Deutschland darauf nicht eingeht[…]” signalisierten scheinbar den Ausstieg Österreich–Ungarns aus dem deutschen Waffenbündnis und die Möglichkeit seinen Frieden mit der Entente zu schließen. Lord Balfour, vom britischen Geheimdienst informiert, übermittelte diese Nachricht während der Friedenssondierungen von Lammasch und Herron an die USA. Bald wurde es klar, daß sich in diesem Stadium des Krieges Österreich–Ungarn nicht mehr von Deutschland trennen konnte. In Berliner betrachtete Deutschland jetzt die austropolnische Lösung als seinen Wirtschaftsinteressen entgegengesetzt, man vertagte das Thema zur gründlichen Klärung. In seinem Bericht für Kaiser Wilhelm II. beschrieb Hertling. die Österreicher als gespannt, nervös und pessimistisch, betonte aber Czernins Bereitschaft, an Ausbau und Festigung des deutsch–österreichischen Bündnisverhältnisses mitzuarbeiten. Ludendorff meldete Wilhelm II., Kühlmann, Czernin und er würden über die Grundlagen des Friedens mit Rumänien völlig übereinstimmen.
In Brest Litowsk wuchsen die Spannungen. Am 7. Februar ließ Trotzkij eine lange, freche, demagogische und derbe Schmähschrift verlesen, so daß Kühlmann die Verhandlungen abbrach. Inzwischen setzten die k.u.k. Diplomaten verschiedene Klauseln in den Vertrag, die bei ukrainischer Unzuverlässigkeit die Zugeständnisse der Donaumonarchie blockierten. Einen Tag später entstand, um die sehr empörten Polen nicht weiter zu reizen, das sogenannte “Geheime Kronlandsprotokoll.” Darin verpflichtete sich die Österreich–Ungarn, aus Teilen Ostgaliziens mit überwiegend ukrainischer Bevölkerung und mit der Bukowina ein neues Kronland bis spätestens 31. Juli 1918 zu schaffen. Am 9. Februar fand die Unterzeichnung des Kollektivfriedensvertrages zwischen den Zentralmächten und der Ukrainischen Volksrepublik statt. Kaiser Karl telegraphierte Czernin seinen Dank aus Siebenbürgen: Am 12. Februar stimmte im Wiener Stephansdom Kardinalerzbischof Friedrich Gustav Piffl das kaiserliche Te Deum laudamus an.
Czernins schlechter Zustand zeigte sich in dieser Woche deutlich. Vom tiefen Pessimismus wechselte er zur höchsten Euphorie. Für 13. Februar bestellte er bei Demblin seinen Empfang am Wiener Nordbahnhof und erwartete, vom Kaiser persönlich begrüßt zu werden. in der Zeit der Streiks und Hungerdemonstrationen wollte Czernin dem Kaiser angeblich seine eigene große Popularität überlassen. Doch es standen nur der Wiener Bürgermeister Dr. Richard Weiskichner und Mitglieder des Gemeinderates auf dem Perron. Erst vor dem “Haus am Ballplatz” versammelte sich eine begeisterte Menschenmenge. Czernin zeigte sich auf dem Balkon, hielt eine Rede und ließ sich bejubeln. Kaiser Karl erwähnt dieses Ereignis in seinen Memoiren und beurteilte rückblickend Czernins Verdienste um den Friedensvertrag mit der Ukraine als gering. Es kam zu Unruhen in der Bukowina (Czernowitz) und in Galizien, zum Generalstreik in Krakau und Lemberg. Man verbrannte Kaiserbilder, demontierte österreichische Doppeladler und bewarf das Militär mit Steinen. Die Solidarität der polnischen Abgeordneten im Reichsrat stand zur Disposition.
Die Ukrainer lieferten dann nur einen Teil des zugesagten Brotgetreides, so daß weder der Vertrag vom 9. Februar 1918 ratifiziert, noch das Cholmer Land dem ukrainischen Kommissar übergeben und das Kronlandsprotokoll annulliert wurde . Von kritischen Zeitgenossen als “Schwindel” und “Hereinfall,” von Kühlmann und Kajetan von Mérey als praktisch bedeutungslos beurteilt, linderte dieser “Brotfriede” den Hunger in Österreich und radikalisierte das polnische Nationalitätenproblem. Davon schien Deutschland zu profitieren.
Auch der bolschewistische Machtkampf hatte Trotzkij motiviert, die Verhandlungen in Brest Litowsk zu verschleppen. Am 18. Jänner war in St. Petersburg die sogenannte Constituante, die Verfassunggebende Versammlung Großrußlands, zusammengetreten. Die Bolschewisten hatten darin keine Mehrheit. Ein Großteil der Bevölkerung Rußlands erhoffte sich die Demokratisierung des Zarenreiches und bezeugte Solidarität mit der Constituante. Bewaffnete Bolschewisten hinderten die demonstrierende Menge, zum Taurischen Palast zu ziehen, es gab blutige Zusammenstöße. Gleichzeitig sprengten Matrosen und Rotarmisten die Verfassunggebende Versammlung, deren Abgeordnete den Allgemeinen Frieden verlangten. Der gelungene Putsch steigerte das Selbstbewußtsein der Bolschewisten. Der Allrussische Rätekongreß (23. – 31. Jänner) übernahm die Funktion der Constituante: Auf der Grundlage freiwilliger Bündnisse der Völker Rußlands schuf er die UdSSR, eine Föderation von Sowjetrepubliken. Darin hatten ausschließlich Soldaten–, Arbeiter–und Bauernräte das Selbstbestimmungsrecht. Der Gegensatz der UdSSR zur Position der Mittelmächte wurde zunehmend unüberbrückbar, die Verhandlungsbasis schwand. Die Bolschewisten suchten nun mit Gewalt Sowjetregimes in Finnland und in der Ukraine aufzurichten. Lenin hatte sein Programm des annexionslosen Separatfriedens gegen die bolschewistische Mehrheit durchgesetzt. Er beabsichtigte, Europa mit den Segnungen des Bolschewismus erst nach dem Sepatratfriedensschluß mit den Zentralmächten zu beglücken. Am 25. Jänner ermächtigte der Allrussische Rätekongreß Trotzkij, den Krieg für beendet zu erklären, jedoch keinen Friedensvertrag zu unterzeichnen.
Parallel dazu brachen in Deutschland politische Streiks aus. Arbeiterausstände griffen von Berlin auf andere Städte über. Man propagierte den Frieden ohne Annexionen und Kontributionen und die Einführung des allgemeinen, geheimen, direkten Wahlrechtes in Preußen. Czernin wollte die Streiks beruhigen und die Verzögerungstaktik der Bolschewisten akzeptieren; er suchte, zusammen mit Dr. Gustav Gratz zwischen Deutschland und Rußland zu vermitteln.
Die DOHL plante die bedingungslose Unterwerfung Rußlands. Hindenburg forderte im Konsens mit Wilhelm II., die Verhandlungen mit Trotzkij binnen drei Tagen abzuschließen. Er beharrte auf der militärischen Besetzung St. Petersburgs, der Ukraine, Estlands und Livlands, sowie auf dem Sturz der bolschewistischen Regierung. Beim Kronrat in Bad Homburg (13. Feber 1918) wurde die Kriegsunwilligkeit der deutschen Bevölkerung komplett ignoriert. Wilhelm II. stimmte den Militäraktionen zu, sobald sie als Befreiungsoperationen getarnt waren. Der deutsche Kaiser und die Oberste Heeresleitung hatten das Bündnis mit Österreich–Ungarn und den Verbleib Kühlmanns im Amt riskiert. Czernin , von Prinz Gottfried Hohenlohe beeinflußt, wagte wieder nicht, sich von Deutschland zu lösen. Österreich–Ungarn wollte keinesfalls den Krieg gegen Rußland fortsetzen, mußte aber Solidarität mit Deutschland demonstrieren. Trotzkij hatte am 10.Februar 1918 alle Feindseligkeiten gegen die Zentralmächte für beendet erklärt und einen annexionistischen Frieden abgelehnt, was die Deutschen mit einer Kündigung des Waffenstillstands gleichsetzten. Am 17. Februar 1918 lief der Waffenstillstand der Zentralmächte mit Rußland ab. Die DOHL befahl für 18. Februar die Militäraktion.
Kaiser Karl verweigerte hartnäckig seine Zustimmung zum Einsatz der k.u.k. Armee in der Ukraine. General Arz, diesmal im Gegensatz zu seinem Obersten Kriegsherrn, befürchtete beim Fernbleiben der österreichisch–ungarischen Truppen den Verlust der so dringend benötigten Getreidelieferungen. Erst als die Ukrainer um Unterstützung gegen den Bolschewismus ersuchten(24. Februar 1918), stimmte Kaiser Karl dem Truppeneinsatz zu. Der österreichische Ministerpräsident Seidler, der am 19. Februar öffentlich festgestellt hatte, die Donaumonarchie wäre mit Rußland nicht mehr im Kriegszustand, war desavouiert. Am 28. Februar setzten sich die österreichisch–ungarischen Truppen in Richtung Odessa zur Sicherung der nach Osten laufenden Eisenbahnlinien in Bewegung.
Der deutsche Vormarsch auf St. Petersburg brach den Widerstand der Bolschewisten. Schon am 19. Februar 1918 waren sie bereit, den Brester Friedensvertrag in der vorliegenden Fassung zu unterzeichnen. Die russische Regierung protestierte zwar gegen die Militäraktion, bestätigte aber schriftlich die Annahme der Friedensbedingungen. Die deutschen Truppen rückten bis an die Linie Dünaburg–Narva–Peipussee vor, Livland und Estland würden unter ihrem Schutz frei abstimmen können. Am 26. Februar kehrte die russische Delegation nach Brest Litowsk zurück, die Vertreter Kühlmanns und Czernins signierten am 3.März 1918 den Vertrag. Die Russen unterschrieben unter Protest, obwohl sie den Diktatfrieden festhielten, stimmten sie dem Truppenabzug aus Livland und Estland, der Demobilisierung, der Entlassung von Zivil–und Kriegsgefangenen sowie dem Frieden mit der Ukraine zu. Sie verpflichteten sich, Finnland, die Alandsinseln und die Ukraine zu räumen, Ostanatolien an die Türkei abzutreten, die Unabhängigkeit Persiens und Afghanistans anzuerkennen und den deutsch–russischen Handelsvertrag von 1904 wieder aufleben zu lassen. Beide Seiten verzichteten auf den Ersatz der Kriegskosten und man vereinbarte die Wiederaufnahme konsularischer und diplomatischer Beziehungen.

DER FRIEDE VON BUKAREST
(7. MAI 1918)

Polen war ein konstantes Thema der Kriegszielgespräche Österreich – Ungarns mit Deutschland. Kaiser Wilhelm und Hindenburg verhielten sich ambivalent. Einerseits wollten sie die deutsche Ostgrenze verschieben, einen Wall gegen Rußland errichten und wirtschaftlich profitieren. Andererseits befürchteten sie jetzt, die deutsche Nation durch das Einbeziehen slawischer Elemente zu gefährden. Kaiser Karl war seit Jänner 1918, als er die österreichischen Kriegsziele Papst Benedikt XV. übersandte, an der Erwerbung Polens desinteressiert. Er war für seine völlig freie Selbstbestimmung und erhoffte sich mit der Ausgliederung der polnischen Abgeordneten eine verbesserte Konsensfähigkeit des österreichischen Reichsrats.
Analog zum Waffenstillstand von Brest Litowsk hatten Erzherzog Joseph und Feldmarschall August von Mackensen in Foçsani den provisorischen Waffenstillstand.für die Armeen der Zentralmächte mit General Dimitrij Gregoriewitsch Schtscherbatschew (Scerbacev) geschlossen. Schtscherbatschew anerkannte die Regierung Lenins und Trotzkijs nicht. Gestützt vom König von Rumänien, der noch über ein diszipliniertes Heer verfügte, waren die Truppen Schtscherbatschews nicht dem Einfluß der Bolschewiken erlegen, sie hatten aber zu meutern begonnen (2. Dezember 1917). Trotz der Intervention von Vertretern der Entente mußte Schtscherbatschew die Zentralmächte um Waffenstillstand ersuchen, der am 9. Dezember 1917 um 22 Uhr 30 in kraft trat.
Ludendorff wollte Rumänien auf die Moldau und Walachei begrenzen, ihm Bessarabien zugestehen. Doch es sollte die Dobrudscha verlieren, Constanza als Freihafen abtreten, eine andere, den Mittelmächten freundliche Regierung erhalten und die Dynastiefrage scheinbar selbst lösen. Das gesamte Land wäre deutsch zu besetzen, politisch, militärisch und wirtschaftlich zu verwalten, was Deutschland große Vorteile aus Eisenbahn, Schiffahrt und Erdölvorkommen sicherte. Österreich- Ungarn war mit Grenzberichtigungen im Karpathenbogen abzufinden. Derart war Rumänien in die deutsche Mitteleuropakonzeption eingebunden.
Wien wollte dagegen Rumänien in die geplante Donaukonföderation einbeziehen. Kaiser Karl war am Zug, als sich König Ferdinand von Rumänien an ihn wandte, um seinen Thron zu retten. Der Waffenstillstand vom 9. Dezember 1917 hatte die rumänische Herrschaftskrise ausgelöst. Die Intrigen Carps und Marghilomans beabsichtigten, König Ferdinand abzusetzen, die Regierung Bratianu zu stürzen, die Macht an sich zu reißen, mit den Zentralmächten Frieden schließen und per Plebiszit einen anderen Hohenzollern zum König zu erheben. Die DOHL wollte aus dem Sieg über Rumänien ausschließlich Kapital für Deutschland schlagen. Carp und Marghiloman vermochten nicht, die Zentralmächte für ihren Plan zu gewinnen, deshalb wandten sie sich vorsichtig an Deutschland. Ende Jänner 1918 stockten die Gespräche.
Der Abzug der russischen Armee aus Rumänien forderte die Revision des provisorischen Waffenstillstands von Foçsani. Jetzt wandte sich König Ferdinand an Kaiser Karl und bot ihm die Möglichkeit, eigene Friedensinteressen wahrzunehmen und die Politik der DOHL zu durchkreuzen. Denn Hertling plante, Österreich politisch, wirtschaftlich und militärisch an Deutschland anzuschließen. Czernin zuerst auf deutscher Seite, ja er wollte sogar zur Entthronung des Königs beitragen. stand nun auf Seiten seines Kaisers. Oberst Maximilian Ritter von Randa, wurde sofort nach Rumänien gesandt, um mit Trajan Styrcea, zu sprechen. Die beiden ehemaligen Militärattachées von Bukarest und Wien begegneten einander am 4.und 5. Februar 1918 nach Einbruch der Dunkelheit auf freiem Feld bei Jassy. Oberst Randa überbrachte die Botschaft Kaiser Karls: er wolle den Krieg so rasch als möglich beenden, Rumänien einen ehrenvollen Frieden gewähren und die Dynastie erhalten. Am nächsten Tag ließ König Ferdinand Kaiser Karl fragen, ob die Zentralmächte bereit wären, eine Allianz mit Rumänien einzugehen und damit das besetzte Territorium freizugeben. Czernin meinte, die Bündnispartner würden sich dem Schritt der Donaumonarchie anschließen. Ohne Zweifel hatte Kaiser Karl die DOHL mit seiner Initiative gereizt und düpiert, sie brauchte definitive Verhandlungen, um rasch deutsche Truppen aus Rumänien für die Westoffensive abziehen zu können.
Die Standpunkte der Zentralmächte waren sehr unterschiedlich, wenngleich alle territorial und wirtschaftlich von Rumänien profitieren wollten. Die Türkei und Bulgarien beanspruchten die Dobrudscha, die DOHL wollte aus Rumänien ein Protektorat mit den erwähnten Auflagen machen, Ungarn drängte auf ansehnliche Grenzveränderungen in den Karpathen, auf Pässe und Straßen. Kaiser Karl strebte einen ehrenvollen Frieden für den Nachbarn an, um Konflikte der Zukunft zu vermeiden. An den ungarischen Ansprüchen dürfte der Friede–so seine Weisung an Czernin–nicht scheitern. Die DOHL drängte zum Diktatfrieden und auf die Absetzung König Ferdinands, während sich Kühlmann, auf Seiten Czernins und Kaiser Karls stellte, um mit einem maßvollen Verhandlungsfrieden das monarchische Prinzip zu retten. Die gespannte Atmosphäre schlug sich im Stil der Gespräche nieder: die DOHL drohte Rumänien, entweder die Bedingungen anzunehmen oder den Krieg fortzusetzen und die herrschende Dynastie zu stürzen. Österreich–Ungarn kündigte bei Wiederaufnahme des Krieges die Auflösung des deutschen Waffenbundes an. Kaiser Karl mahnte Wilhelm II. zu maßvollen und ehrenhaften Friedensbedingungen und informierte ihn vom Gespräch Randas mit dem Unterhändler König Ferdinands. Die Zornausbrüche Kaiser Wilhelms, als Marginalien auf die Telegramme notiert, markieren die Toleranzgrenze der Bündnispartner. Seit damals tauchen von Kaiser Wilhelm II. abwärts die ehrenrührigen Urteile vom Verrat Österreich–Ungarns, vom verräterischen Kaiser Karl, der hinter dem Rücken Deutschlands seine Friedenspolitik trieb, von seiner Schwäche und vom “Winseln nach Frieden” auf. Sie lassen sich auch im internen Sprachgebrauch des Grafen Czernin mit August Demblin nachweisen.
Inzwischen hatte in Rumänien die Regierung Bratianu demissioniert, General Averescu führte die Geschäfte. Kühlmann und Czernin waren gemeinsam nach Bukarest gereist, um den Frieden gegen das Programm der DOHL und der ihr Ergebenen zu verhandeln. Parallel dazu besuchte Kaiser Karl Wilhelm II. in Bad Homburg (22./23. Februar 1918), um die polnische Frage zu klären und den rumänischen Friedensvertrag vorzubereiten. In der Konkurrenz um Rumänien wurde die polnische Frage ausgeschaltet und die beiden Herrscher berieten nur über verschiedene Anwärter auf den polnischen Thron. Kaiser Wilhelm, der vom Zerfall der Donaumonarchie überzeugt war, vermochte Kaiser Karl, der dem Konflikt mit Deutschland ausweichen wollte die austropolnische Lösung aufzuzwingen und sich dem lang erstrebten Ziel der Militärkonvention mit Österreich–Ungarn zu nähern. Kaiser Karl, hätte auf Westgalizien verzichten müssen, daher ließ er sich “aus Pflichtgefühl” zur austropolnischen Lösung überreden, wenngleich er daran ganz desinteressiert war. Nach Gesprächen über südslawische Probleme und Friedensziele., beantwortete Wilhelm II. die gespannte Frage Kaiser Karls, wie lange Deutschland noch Krieg führen könnte, mit “zwei bis drei Jahre”. Angeblich wollte Kaiser Karl Serbien und Montenegro unter die Stephanskrone bringen. Seine tatsächlichen Vorstellungen beschränkten sich auf Grenzkorrekturen, Handelsverträge und Verkehrsregelungen. Außerdem wünschte er für Serbien eine andere Dynastie.
Czernin traf am 27. Februar mit König Ferdinand in der moldauischen Bahnstation Racaciuni zusammen. Das Gespräch fand im rumänischen Hofzug statt. Czernin, aus seiner Botschafterzeit in Bukarest mit dem König persönlich bekannt, vermochte ihn zur Rettung seines Thrones zu bewegen, die Friedenskonzeption der Mittelmächte anzunehmen, der Abtretung der Dobrudscha und ihren Austausch gegen Bessarabien zuzustimmen. Am 5. März 1918 unterschrieben die Rumänen in Schloß Buftea bei Bukarest den sehr harten Vorfrieden. Während der definitiven Verhandlungen entstanden wieder große Spannungen unter den Zentralmächten. Bulgarien und die Türkei beanspruchten die gesamte Dobrudscha. Die DOHL suchte, das rumänische Protektorat zu verwirklichen und Österreich auszuschalten, so daß jetzt Kaiser Karl die “austropolnische Lösung” monierte. Czernin konnte sich mit Marghiloman, der nach dem Sturz von General Averescu die Regierungsbildung übernahm, zu verständigen und einen Verhandlungsfrieden vorzubereiten. Im wesentlichen wurden die Vorstellungen Kühlmanns verwirklicht: die Dobrudscha als Condominium der Zentralmächte unter Bulgarien und die Türkei geteilt, Constanza zum Freihafen erklärt, Rumänien ein Korridor dahin zugestanden. Czernin hatte seine Forderungen nach Grenzgebieten in den Karpathen halbiert, so daß der Friedensvertrag am 26. März 1918 um 4 Uhr früh in Schloß Cotroceni bei Bukarest paraphiert werden konnte. Die wirtschaftlichen Themen und die neue Grenzziehung zu Ungarn ließ man von einer Kommission erledigen. Nach dem Sturz Czernins unterzeichnete der neue alte k.u.k. Außenminister Graf Stephan Burián den Friedensvertrag am 7.Mai 1918 in Bukarest.
Er kann als Ergebnis der Kooperation von Kühlmann und Czernin betrachtet werden. Beide Außenminister gerieten in politische Schwierigkeiten, die zu ihrer Demission führten. Czernin stürzte–wie noch zu zeigen sein wird–über die “Sixtusaffaire”, die er in Bukarest geplant und an der Kühlmann seinen Anteil hatte. Kühlmann wiederum geriet ins Kreuzfeuer der DOHL: Sie beschuldigte ihn, gegenüber Rumänien und den Verbündeten zu nachgiebig gewesen zu sein. Er habe in Bukarest einen “schlechten Frieden” ausgehandelt und Österreich–Ungarn eigene Wege gehen lassen. Dieser Konflikt und seine Friedensversuche mit Großbritannien zwangen Kühlmann zum Rücktritt (9. Juli 1918).

VERTRÄGE MIT FINNLAND

Vorher wurden in Berlin die Verträge mit Finnland paraphiert und ratifiziert (10.März und 3. Juni 1918). Mit Handels- und Wirtschaftsverträgen gliederte sich Finnland in die deutsche Machtsphäre ein. Analog zur militärischen Besetzung Livlands, Estlands und der Ukraine erzwangen deutsche und weißfinnische Truppen die Räumung Finnlandes von roten Garden. Es wählte in Anlehnung an Preußen – Deutschland die Monarchie zur Staatsform und erhielt knapp vor dem Ende des Krieges in Prinz Friedrich Karl von Hessen, dem Schwager Kaiser Wilhelms II., einen König. Der finnische Landtag wählte ihn am 9.Oktober 1918. Die dynastische Verklammerung bestand kaum einen Monat.
Während deutsche Truppen in Rußland einmarschierten, hatte Lenin die Regierung von St. Petersburg nach Moskau verlegt(10. und 11. März 1918 ) und sich im Kreml einquartiert.
Kaiser Wilhelm II. bezeichnete den Frieden von Brest Litowsk als “größten Erfolg der Weltgeschichte”, dessen Bedeutung erst die Enkel erkennen würden. Dieser Diktatfriede dokumentiert die Expansion des deutschen Imperialismus nach dem Osten und den Versuch, das deutsche Mitteleuropakonzept zu verwirklichen. Rußland, das eine Million km2 Land abtreten mußte, war mehr als gedemütigt. Der Friede von Brest Litowsk, für die Mittelmächte ein Bumerang, legitimierte die USA zur konkreten Kriegführung und die Propaganda der Freimaurer. Sie hetzte gegen einen “unreifen”, verfrühten Frieden und wiegelte zur Fortsetzung des Krieges bis zum Sturz der Hohenzollern und des preußischen Militarismus auf. Brest Litowsk bestärkte die Massonen, die Völker der Zentralmächte von ihren Dynastien und vom illusionistischen menschenverachtenden Expansionsdrang der Militärs zu befreien .
Kaiser Karl war mit dem Frieden, den er als Gewalt–und Diktatfrieden bezeichnete, nicht einverstanden. Österreich–Ungarn mußte “ihn nolens volens mit unterschreiben.” Das paßte zur tschechischen Propaganda von der deutschen Abhängigkeit Österreich–Ungarns und von der Unfähigkeit der Habsburger, sich von den Hohenzollern zu trennen. Die “Unterdrückten Völker Österreich–Ungarns” schlugen aus diesem Frieden ihr Kapital, sie forcierten den Propagandakrieg gegen die Habsburgermonarchie.
Brest Litowsk diente schließlich als Muster für die Pariser Dikatfriedensverträge der Entente. Sie übernahm den von der DOHL geplanten Schutzwall gegen Rußland, der Europa als “Cordon sanitaire” vom Weißen bis zum Schwarzen Meer vor dem Bolschewismus schützen sollte.